Jost, Peter

Instrumentation

Geschichte und Wandel des Orchesterklanges

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2004
erschienen in: das Orchester 11/2004 , Seite 81

Es gibt Veröffentlichungen, die sich durch eine Fülle neuer Gedanken auszeichnen, und solche, die Bekanntes aufzählen und erläutern. Peter Josts Instrumentation besticht durch eine überzeugende Mittelposition zwischen diesen idealtypischen Extremen. Die präsentierten Fakten und geschichtlichen Entwicklungen der Instrumentation sind nicht neu, konnten und sollten es – im Rahmen einer Studienbuchreihe – auch nicht sein. Die systematische Präsentation jedoch, die Zuordnung zu unterschiedlichen Kriterien und Phänomenfeldern einschließlich deren gegenseitiger Durchdringung, die Balance zwischen Detail und Überblick, zwischen erhellender Beispielanalyse und kursorischen Zusammenfassungen, die Vielfalt der Gesichtspunkte und schließlich die Prägnanz der Darstellung sind vorbildlich. Somit füllt das Buch zu diesem Thema eine Lücke in der Literatur und ist einem breiten Leserkreis vom interessierten Laien bis zum Experten wärmstens zu empfehlen.
In den einzelnen Kapiteln – Grundbegriffe, Instrumentarium, Wandel der Klangstile, Funktionen, Traditionen, Klangraum und Raumklang, Theorie und Lehre – wird die Bedeutung der Instrumentation im historischen Kontext auf je neue Weise dargestellt. Schon die Überschriften vermitteln einen Eindruck von der Kompetenz des Autors und seinem ideenreichen Umgang mit der Materie, wodurch das Buch nicht nur zu einem Nachschlagewerk wird, sondern zu einer ergiebigen, lohnenden Lektüre. Als Beispiel sei das Kapitel „Funktionen“ hervorgehoben, das in seinen sieben Abschnitten – Gattungsdifferenzierung, Satztechnik, Harmonik, Dynamik, Form, Koloristik, Analyse – der Integration der Instrumentation in den kompositorischen Prozess nachgeht sowie der Bewertung dieses vielschichtigen Sachverhalts bei Komponisten und Theoretikern und – wie auch in den übrigen Kapiteln – durch Werkausschnitte und Literaturzitate prägnant erläutert.
Josts breite Auffächerung der Thematik macht deutlich, warum sich die Instrumentation einer Vermittlung in geordneten Lehrschritten lange Zeit entzog und warum erst mit der Entfaltung romantischer Orchestermusik im 19. Jahrhundert die Forderung einer solchen Vermittlung plausibel wird, vor allem in dem Maße, wie die Instrumentation von einem sekundären, nachgeordneten zu einem primären Parameter der Komposition avancierte. Zahlreiche Verweise im Text fordern zur eigenständigen Vertiefung der angesprochenen Gedanken und Phänomene auf; eingeschobene „Anregungen zum Weiterdenken“, meist mit konkreten Werk- und Instrumentations-
angaben, erfüllen diese Aufgabe sogar auf betont didaktische Weise.
Abschließend sei nachdrücklich auf das Vorwort des Buchs verwiesen. Während der Hauptteil naturgemäß den Charakter einer klar formulierten, exemplarisch angereicherten Übersicht erhalten musste, exponiert das Vorwort die vielfach geschichtete Struktur des Gegenstands, verdeutlicht seine Komplexität und Problematik und muss insofern bei der Darlegung der nachfolgenden Einzelaspekte stets im Blick behalten werden.
Peter Schnaus