Institut für Interkulturelle Innovationsforschung (Hg.)
Innovation aus Tradition
Festschrift Hermann Rauhe zum 80. Geburtstag
Als letzte Gründungs-Tat in einer lange Innovationskette, die er in den 26 Jahren seiner Hochschul-Präsidentschaft in Hamburg schmiedete, ermöglichte Hermann Rauhe den Aufbau eines Instituts für Innovationsforschung weltweit die erste Institution, welche die aus den Wirtschaftswissenschaften stammende Methodik auf dem Gebiet der Kultur anwendet. So schien es dem Gründungsdirektor des Instituts, dem Musikwissenschaftler, Komponisten und Verleger Reinhard Flender, nur recht und billig, dem Unruheständler zum Achtzigsten eine würdige Festschrift auszurichten.
Der Paradigmenwechsel, den Rauhe nach seiner Erstwahl zum Hochschulpräsidenten (1978) im Hause in Gang setzte, lässt sich trefflicher nicht skizzieren: Der Impuls der 68er Studentenbewegung löste das alte hierarchische Prinzip der Hochschulleitung ab
In dieser Aufbruchsstimmung blühte Hermann Rauhe förmlich auf. Von nun an ging es Schlag auf Schlag. Der Neubau samt Forum-Bühne, Tatort des integrierten Studiengangs Musiktheater-Regie, schuf Raum für die Einführung weiterer Ausbildungssparten: Jazz, Popularmusik, Musiktherapie, Kulturmanagement, Medienpädagogik. In einem Aufsatz zog Rauhe zum Millennium Bilanz. Seine (im vorliegenden Band nachgedruckten) Gedanken zum Selbstverständnis unserer Hochschule unter dem Leitwort Innovation aus Tradition hatte Flender allen Beiträgern der Festschrift mit der Bitte zugeschickt, ihr jeweiliges Arbeitsfeld von diesem Grundsatz her zu bedenken.
Herausgekommen ist ein breit gestreutes Themenspektrum, das Einblick gewährt in rund dreißig Berufswelten, die ihre Autoren in die Studienlandschaften der Hamburger Hochschule für Musik und Theater einbringen in engem Wechselbezug von Theorie und Praxis. Eingangs beantwortet der komponierende Kulturmanager Peter Ruzicka die von ihm selbst aufgeworfene Frage, ob Richard Wagner gegenwärtigen Intendanten und Theaterdirektoren zum Vorbild tauge, mit einem klaren Nein. Simone Young, lehrbeauftragte Generalmusikdirektorin der Hamburger Philharmoniker, berichtet über ihre Quellenstudien in Bayreuther Archiven für die Neueinstudierung des Hamburger Ring. Die inzwischen zurückgetretene Kultursenatorin der Hansestadt, Karin von Welck, sieht Hamburg elbphilharmonischen Misstönen und Tempoverschleppungen zum Trotz auf dem Weg zu einer Musikmetropole. Der herausgebende Institutsleiter selbst betrachtet die 700-jährige Kunst- und Kulturgeschichte seit der Renaissance unter dem dialektischen Blickwinkel kultureller Neuerungsschübe und Gegenbewegungen, wobei er zwischen den Begriffen closed innovation (der Neuen Wiener Schule) und open innovation (der Popmusik) unterscheidet. Mit den unterschiedlichen Existenzformen von Musik (vom Einfall über die notierte Gestalt bis zur Berichts- oder Zitatform), Kybernetik und Fuzzy Logic (fusselige, ausgefranste Logik) setzt sich Hanns-Werner Heister auseinander. Der Komponist und Phänomenologe Elmar Lampson, der seit 2004 im Kielwasser seines Amtsvorgängers Hermann Rauhe einen eigenen Kurs steuert, widmet sich dem abendländischen Tonsystem, das in der endlichen Anzahl von zwölf Tönen die Unendlichkeit der Tonbeziehungen zur Erscheinung bringen kann.
Lutz Lesle