Zimmermann, Bernd Alois

Initiale

Lieder und frühe Kammermusik

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Wergo WER 6735 2
erschienen in: das Orchester 09/2011 , Seite 82

Hand aufs Herz: Diese CD wäre wohl kaum entstanden, wenn Bernd Alois Zimmermann nicht durch seine Ausstrahlung als Kölner Kompositionsprofessor und Hauptwerke wie die Oper Die Soldaten oder auch die Bratschensonate von 1955 eine Ikone der musikalischen Avantgarde der bundesdeutschen Moderne geworden wäre. Spätromantische Lieder in einer Reger- und Pfitzner-Tradition und neoklassizistisch geprägte Kammermusik von einem unbekannt gebliebenen Komponisten wären wohl in der Schublade geblieben.
Der hier für das Label Wergo in Zusammenarbeit mit dem Deutschlandradio Kultur eingespielte Werk-Korpus zeigt exemplarisch Zimmermanns musikalische Wurzeln, die anders als bei den meisten jungen Künstlern, die mit ihm an den ersten Darmstädter Ferienkursen teilnahmen, im klassischen Kompositionshandwerk der 1930er und 1940er Jahre liegen. Dadurch erhalten sie eine starke Bedeutsamkeit für Zimmermanns Hauptwerk. Ihre Einspielung und die gemeinsame Präsentation auf einer CD sind für die Beantwortung musikwissenschaftlicher und biografischer Fragestellungen zu Zimmermann dringend geboten.
Da sind etwa die Drei geistlichen Lieder nach Texten von Ernst Bertram, einem Kölner Literaturwissenschaftler, dessen Nazi-Vergangenheit Zimmermann dazu veranlasste, eine Aufführung der Lieder zu untersagen. Eine bestens die historische Atmosphäre der Liedertexte reflektierende Anna Prohaska hilft, authentisch unterstützt von der großartigen Cordelia Höfer am Klavier, diesen Jugendsünden des Meisters von 1946 ans Licht. Neben Bertram vertonte Zimmermann in seiner Studienzeit Texte von Rilke, wie das Gedicht Initiale, das der CD ihren Titel gibt, von Nietzsche und Klabund, aber auch von den unbekannten Hans von Hopfen und Harald Gloth. In Anna Prohaskas Interpretation sind die inneren Kämpfe des jungen Komponisten, von denen das sehr ansprechende CD-Booklet berichtet, in Eleganz gewandelt.
Cordelia Höfer bildet das Zentrum dieser Aufnahmen. Sie begleitet Alessandro Cappone bei einer etwas braven Kleinen Suite und einer Aria für Violine und Klavier von 1942 sowie Rachel Schmidt bei einer Sonate für Violine und Klavier von 1950, die mit ihren dodekafonen Anklängen schon deutlich ins Hauptwerk hineinweist. Das sehr klar und sachlich agierende, dabei enorm homogene Trio Berlin konnte für ein sehr dankbares Streichtrio von 1944 gewonnen werden, das mit rhythmischer Intelligenz und agiler Polyfonie sicher auch im heutigen Konzertsaal Liebhaber gewinnen könnte. Es entstand in Zimmermanns Unterricht bei Philipp Jarnach, der es mit dem harschen Urteil „Leerlaufmusik“ kritisierte. Zimmermann indes interessierte mehr die „innere Wahrhaftigkeit des musikalischen Gedankens“ und das „Herzblut“, das er hineingesteckt hatte. Beides, Wahrhaftigkeit und Herzblut, haben auch die Interpreten in die Einspielung dieser Ausnahmewerke gesteckt.
Katharina Hofmann