Höller, Hans (Hg.)

Ingeborg Bachmann – Hans Werner Henze

Briefe einer Freundschaft

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Piper, München 2004
erschienen in: das Orchester 02/2005 , Seite 74

„Liebste Ingeborg, nie habe ich einen teureren und schöneren menschlichen Kontakt gehabt als den zu Dir“, schreibt er. Und sie: „Wenn ich nicht wüßte, daß ich Dir angst mache, würde ich Dir noch einmal sagen, daß ich Dich liebe. Ich sage es, um Dir dieses bel niente zu geben, das ich Dir noch geben kann…“ Zärtliche Zeilen aus einem Konvolut an Briefen. Zeugnisse einer großen, zwar nicht verborgenen, aber doch – gemessen am Bekanntheitsgrad der Protagonisten – diskreten Freundschaft. In einem über 500 Seiten starken Buch ist diese intellektuell wie emotional innige Beziehung jetzt dokumentiert. In einer aufregend schönen Edition hat Hans Höller die Korrespondenz von Ingeborg Bachmann mit Hans Werner Henze herausgegeben.
Die künstlerische Partnerschaft der Libretti verfassenden Schriftstellerin mit dem Komponisten ist bekannt und wird von Kennern goutiert. Diese in den Briefen zum Ausdruck gebrachte Verbundenheit wirft ein neues Licht auf die überragenden Künstler und sensiblen, grüblerischen Menschen. Henze entpuppt sich als charmanter, witziger und treuer Gefährte. Aber war es Liebe? Henze thematisiert schon früh in seinen Briefen seine Homosexualität. Dennoch ist er es, der immer wieder Heiratspläne schmiedet: „Das Leben wird einen gewissen Sinn bekommen, weil man einen Pakt gegen die Angst manifestieren kann“, schreibt er. Bachmann zögert nicht und besorgt die notwendigen Dokumente fürs Standesamt. Henze macht einen Rückzieher. Von entwaffnender Ehrlichkeit geprägt, folgt ein Brief: „Nun kann ich Dich nur bitten, mir zu verzeihen, ich hoffe, es zählt nicht wirklich, daß Du Dich von mir verletzt fühlen könntest, weil ich jemandem in betrunkenem Zustand erzählt habe, wir würden vielleicht heiraten, wahrscheinlich wäre das Leben zur Hölle geworden, vor allem für Dich…“
Einmal die Vorstellung ein Paar zu werden überwunden, gewinnt die Korrespondenz zunehmend an Leichtigkeit, Ausgelassenheit, Übermut. Dearest Sweetie, liebster Irrwisch, nennt Henze Bachmann: liebe Wildente, ingebach borckmann, carissima pupa und illustre jahrhundert-närrin, heißt es in den polyglotten Briefen, in denen sich vieles um die gemeinsame Wahlheimat Italien dreht. Dabei schlägt Bachmann in ihren wenigen erhaltenen Briefen einen spröden Ton an. Sie ist ehrlich und analytisch. Henze, dem Vertrauten, schreibt sie beispielsweise in erschütternd klaren Worten von ihrem Selbstmordversuch nach der Trennung von Max Frisch.
Bei aller Privatheit – dies sind Briefe von kulturhistorischer Bedeutung, denn wie bekannt, schlägt sich das Intime in beider Werk nieder. Bewegend ist das Vorwort des heute 78-jährigen Henze. Er beschreibt die geschwisterliche Zuneigung sowie sein Gefühl „von Verehrung und Schuldigkeit“. Die Freundschaft, die 1952 begann, habe unter Pausen gelitten, so Henze. Die letzte, endgültige sei „schrecklich und tiefgreifend und ewig“.
Christina Hein

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