Watkins, Huw

In the Locked Room

Opera in one act, Libretto by David Harsent based on a short story by Thomas Hardy, Klavierauszug

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2012
erschienen in: das Orchester 06/2015 , Seite 75

Huw Watkins, 1976 in Wales geboren und u.a. am Royal College of Music in London von Robin Holloway und Alexander Goehr ausgebildet, zählt zu den profiliertesten englischen Komponisten seiner Generation. Sein bislang vorliegendes Œuvre, das leider in Deutschland noch nicht die Aufmerksamkeit gefunden hat, die es verdiente, umfasst alle Gattungen: Orchesterwerke, mehrere Konzerte, Trios in unterschiedlichen Besetzungen, Streichquartette, eine viel gespielte Cellosonate und zwei einaktige Kammeropern mit kleiner Besetzung. David Harsent (geb. 1942), der sich auch als Librettist der Oper Gawain von Harrison Birtwistle einen Namen gemacht hat, verfasste die Libretti: Crime Fiction (2009) und nun In the Locked Room, die am 20. August 2012 in Edinburgh erfolgreich uraufgeführt wurde. Im Juli 2015 wird sie übrigens an der Hamburger Opera stabile zu sehen sein.
Das Libretto geht auf eine Erzählung von Thomas Hardy (1840-1928) zurück: Ein Ehepaar mietet ein Ferienhaus, in welchem in einem stets verschlossenen Zimmer ein Dichter leben soll, dessen Werke die Ehefrau kennt und verehrt. Während sich ihr die Realität und Fiktionen zu vermischen beginnen, in denen sie mit dem Dichter spricht und sich ihm hingibt, hat der Ehemann auch in den Ferien nur Sinn für seine Geschäfte und kann weder erkennen noch verstehen, was in seiner Frau vorgeht.
Unsensible Kälte und Sehnsucht nach Zuneigung und Glückserfüllung als emotionale Pole der (inneren) Handlung drückt Watkins mit einer ungemein stilsicheren Musik aus, mit der alle Kompositionsmittel in suggestive, eng auf das Libretto bezogene Ausdrucksformen verwandelt werden – bis hin zum Klopfen an der verschlossenen Tür oder dem Fallen des Regens als sogleich zu identifizierende Chiffren für seelische Vorgänge. Die zwölf durchkomponierten Szenen des Stücks sind motivisch miteinander verknüpft. Watkins macht dabei unaufdringlich spürbar, dass diese Motive auch leitmotivische Funktionen übernehmen können. Und pragmatisch gestaltet er die vier Rollen der Protagonisten (das Ehepaar, die Vermieterin des Ferienhauses, der Dichter) in den konventionellen Stimmlagen von Sopran, Alt, Tenor und Bariton wirkungssicher aus. Emotional besonders angespannte Szenen mit intensiven inneren Vorgängen vertraut er auch ganz dem prägnant einfärbenden Kammerorchester an. Im souveränen Einsatz aller musikalischen Ausdrucksmittel von der Klangfärbung bis zur Harmonik, von der rhythmischen Gestaltung bis zur Motiv- und Melodiebildung erreicht die Partitur durchaus die Kunst Benjamin Brittens.
Der Druck des bequem zu spielenden Klavierauszuges in der bewährten Schott-Qualität lässt keine Wünsche offen; die jeweils führenden Instrumente werden selbstverständlich im Notensystem verzeichnet. Das Libretto ist nur im englischen Original den Singstimmen unterlegt; eine Übersetzung ist aber auch kaum nötig.
Giselher Schubert