Knäpper, Silke

Im November blüht kein Raps

Roman

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Klöpfer & Meyer, Tübingen 2012
erschienen in: das Orchester 01/2013 , Seite 67

Paul ist Kontrabassist in einem Theaterorchester in einer süddeutschen Stadt mittlerer Größe. Er liebt seine Frau Bärbel, oder besser: Er hat sie einmal geliebt. Jetzt lebt er zwar noch mit ihr zusammen, doch schon seit einiger Zeit trifft er sich regelmäßig mit Hanne, Buchhändlerin und alleinerziehende Mutter eines Sohnes im Kindesalter, die er auf einer Italienreise kennen gelernt hat. Die klassische Affäre ist in vollem Gange.
Um seinen Berufsalltag in dem von finanziellen Kürzungen gebeutelten Theater, das Leben mit seiner Frau und der geheim gehaltenen Geliebten unter einen Hut zu bringen und in diesem nicht nur logistisch anstrengenden Leben auch noch die Fürsorge um seine verwitwete, verbitterte Mutter aufbringen zu können, hat sich Paul eine kleine Wohnung angemietet, in die er sich zurückziehen kann, um Musik zu machen. Das dient ihm als Alibi, wenn er heimlich Hanne treffen will.
In ihrem Roman Im November blüht kein Raps erzählt die 1967 in Ulm geborene Silke Knäpper, die nach einem Studium der Germanistik, Romanistik und Anglistik heute als Lehrerin an einem Gymnasium arbeitet, die Geschichte eines Orchestermusikers in der Midlife Crisis. Mit einigem Feingefühl entfaltet sie, warum Paul zu dem Mann geworden ist, der trotz seines verbissenen und rigoros autoritären Musikvaters, der als Alkoholiker gestorben ist, dennoch Liebe zur Musik entwickelt und ausgebaut hat, aber dennoch unfähig ist, die volle Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, sich ganz zu entscheiden. Das wiederum hat einen Grund in weiteren dunklen Familiengeheimnissen, die Paul nach und nach, nicht zuletzt durch Hannes Hilfe, aufdecken kann. Dank der psychologischen Tiefe der Figuren und einer detailgenauen Beobachtungsgabe der Autorin bleibt man gerne bei der Stange, während Paul versucht, die Fakten seiner Familie von der Fama unterscheiden zu lernen, „die Knochen vom Fleisch zu lösen“.
Dass der Roman aber trotz seiner zahlreichen dramatischen Wendungen manchmal etwas statisch wirkt, ist allerdings zugleich die weniger beeindruckende Kehrseite dieser Detailgenauigkeit, ja -freudigkeit. Manches wirkt etwas zu akribisch ausgemalt. Knäpper greift immer wieder tief in die Adjektivkiste, um Anschaulichkeit zu erzielen oder die Regungen und Dialoge ihrer Figuren in einer Weise auszumalen, die auf die Vorstellungskraft des Lesers eher bremsend als anregend wirkt. Doch da die Konstruktion der Geschichte zwingend genug ist, die überraschenden Wendungen gut dosiert eingesetzt sind und auch Pauls Vergangenheit plausibel und dramatisch genug erzählt erscheint, kann man Im November blüht kein Raps durchaus zur Lektüre empfehlen – nicht zuletzt, da die Schilderungen aus dem Leben eines Orchestermusikers an jenem Instrument, dem Patrick Süskind einst sein eindrucksvolles Theaterstück widmete, eine vertiefte Kenntnis des Milieus vermuten lassen und das musikalische Metier hier mehr als nur Staffage ist.
Beate Tröger