Nicolai, Otto

Il Templario

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo 77 434-2
erschienen in: das Orchester 10/2010 , Seite 73

Otto Nicolai, geboren 1810 in Königsberg und gestorben 1849 in Berlin, hat allein durch seine Lustigen Weiber von Windsor (1849) im Opernrepertoire überdauert. Michael Wittmanns Recherche zum Templario – mehr dazu im CD-Booklet – bringt ein Melodrama ans Licht, das Nicolai vor seiner Rückkehr aus Italien, noch ganz unter dem Eindruck des italienischen Belcanto stehend, 1840 komponiert und dort mit Erfolg zur Aufführung bringt. Sujet ist der allseits bekannte Roman Ivanhoe von Walter Scott. Der cpo-Veröffentlichung liegt ein Mitschnitt von Deutschlandradio Kultur und MDR der Chemnitzer Wiederaufnahme vom März 2008 zu Grunde.
Die angemessene Würdigung einer Komposition hat da ihre Grenzen, wo sich die Urteilsbildung auf keine Partitur stützen kann. Ausschließlich auf den Höreindruck verwiesen, schiebt sich die gegebene Interpretation zwischen das Werk und seine Rezeption. Sie wird gewissermaßen zur alleinigen Repräsentanz des Werks. An einer solchen Bürde trägt die Chemnitzer Wiederaufführung des Templario zu schwer. Zu viele Einschränkungen in der sängerischen Realisierung – sehr im Unterschied zur orchestralen Darstellung des Werks – relativieren das Urteil.
Die Schwächen des Chors der Chemnitzer Oper sind so eklatant, dass die Rolle des Chors in Nicolais Werk – man denke an die eröffnenden Charakterisierungen eines Szenengeschehens oder an die finalen Steigerungen an Bild- oder Aktschlüssen – sich nicht benennen lässt. Ebenso ist den Solisten, wenn auch in unterschiedlichen Graden, anzumerken, dass die gesangstechnischen Voraussetzungen des künstlerischen Vortrags bis zu den Reformbewegungen der Oper um die Mitte des 19. Jahrhunderts doch ganz andere waren, als es die Neukonzeptualisierungen der Gattung in der Folge geboten. Die Techniken des Belcanto mit dem Espressivo dramatisch angelegter Stimmen in einer neuen Kunst des Gesangs zu vermitteln, blieb bis heute nur wenigen Stimmen vorbehalten.
Doch muss man im Gegenzug die Chemnitzer Inszenierung da in Schutz nehmen, wo sie in ihrer Begrenztheit den Gesamteindruck dieser Wiederentdeckung allein verantwortet. Es ist sehr wohl, auch ohne Partiturstudium, die operngeschichtliche Zweitrangigkeit eines Otto Nicolai erfahrbar. Es mangelt ihm an der Eloquenz, die Rossinis Linienführung ausmacht, ohne dass er an den dramatischen Tonfall frühromantischer Prägung Donizettis oder an die Kraft melodischer Erfindung Bellinis heranreichen könnte. Sein Templario erfordert keine Revision der operngeschichtlichen Orientierungsmarken. Da ist zu viel absehbar, zu viel Konvention im Schreiben Nicolais. Immer decken sich platt ein getexteter und ein komponierter Trompetenschall, die Klage oder die Freude der handelnden Figuren. Es werden keine subjektiven Innenwelten oder gar Abgründe jenseits des getexteten Worts erschlossen. Die Musik bildet die Handlung schlicht ab.
Der Wert einer Aufführung für das Repertoire bemisst sich nicht allein daran, ob ein Werk erst- oder einmalig geboten wird, sondern auch nach dem operngeschichtlichen Rang des Dargebotenen. Otto Nicolais Il Templario gebührt in der Inszenierung durch die Oper Chemnitz wohlwollende Kenntnisnahme und Aufmerksamkeit, mehr aber auch nicht.
Anton Förster

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