Monteverdi, Claudio
II ritorno d’Ulisse in patria
Partitur/Klavierauszug, hg. von Rinaldo Alessandrini
Die Musik Claudio Monteverdis hat eine wahre Renaissance erlebt, insbesondere nach den fulminanten Züricher Aufführungen mit dem Duo Harnoncourt/Ponnelle Mitte der 1970er Jahre. Und spätestens nach den Einspielungen wichtiger Werke in historisierender Aufführungspraxis ist Monteverdi aus dem öffentlichen Musikleben nicht mehr wegzudenken. Der Komponist war als Hofmusiker in Mantua entscheidend an der Erfindung der Oper beteiligt: Als eine der ersten entstand 1607 LOrfeo, später (1640) in Venedig Il ritorno dUlisse in patria, ein von den Zeitgenossen umjubeltes Werk.
Die Situation bei den Editionen seiner Werke war lange Zeit unbefriedigend. Zwar existiert die von Gian Francesco Malipiero betreute Gesamtausgabe, doch eine Neuedition, die eine kritische Sichtung und Neubewertung der Quellen vornahm und insbesondere auch neue Erkenntnisse der Aufführungspraxis berücksichtigte, fehlte. Hier verspricht nun ein Projekt des Bärenreiter-Verlags Abhilfe: Rinaldo Alessandrini gibt kritische Ausgaben von Werken Monteverdis heraus, und die Bände zu Ulisse sind der Beginn dieses verdienstvollen Unternehmens.
Der Herausgeber, der sich als Interpret (an der Spitze des Concerto Italiano, als Cembalist, Organist wie Pianist) einen Namen gemacht hat, gilt als führender Barock- und Monteverdi-Spezialist. Seine CD-Veröffentlichung des Orfeo ist jüngst in die Bestenliste der Schallplattenkritik für den Bereich Oper aufgenommen worden. Bei ihm ist das Urtext-Projekt also in besten Händen und der Startschuss mit der Heimkehr des Odysseus lässt hoffen, dass sich die Notensituation bei Monteverdi bald geklärt haben wird.
Sowohl Partitur wie Klavierauszug entsprechen den Anforderungen, die man an eine wissenschaft-kritische Ausgabe stellt: Sie geben die einzig erhaltene Quelle korrekt wieder; Tempoangaben und Taktlängen wurden beibehalten, lediglich bei der Verwendung von Schlüsseln wurde modernisiert. Das Schriftbild ist klar und gut zu lesen, Ergänzungen des Herausgebers (wie etwa bei der Bass-Bezifferung) sind kenntlich gemacht. Der kritische Bericht (in der Partitur) belegt penibel Abweichungen vom vorliegenden Manuskript, Vorschläge für Einzelstellen, diskussionswürdige Passagen etc., sodass alle Entscheidungen des Herausgebers überprüft werden können. Im Vorwort diskutiert er Quellenlage, Entstehungs- und Aufführungsgeschichte des Werks, gibt darüber hinaus aber auch für den Praktiker hilfreiche Informationen zur Aufführungspraxis der Zeit, von der er Vorschläge für die Realisierung der Oper, insbesondere für die Instrumentierung ableitet. Der ausgesetzte Bass (im Klavierauszug) ist bewusst eher spartanisch gehalten und gibt dem ausführenden Continuospieler reichlich Gelegenheit zu improvisatorischer Auffüllung. Den Klavierauszug sieht Alessandrini auch mehr als Einstudierungshilfe für Sänger.
Das Libretto (italienisch, englisch, deutsch) ergänzt die vorbildliche Edition. Man ist auf die Fortsetzung neugierig, zumal es bei anderen Werken quellenmäßig komplizierter werden dürfte.
Wolfgang Birtel