Mâkhi Xenakis

Iannis Xenakis. Mein Vater

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott
erschienen in: das Orchester 9/2023 , Seite 65

2015 legte Mâkhi Xenakis, Tochter des Komponisten und Architekten Iannis Xenakis, ein Erinnerungsbuch vor, mit dem sie sich an die Arbeit ihres Vaters herantastete. Anlässlich von Xenakis’ einhundertstem Geburtstag im Jahr 2022 ist der Band neu aufgelegt und vom Französischen ins Deutsche übertragen worden. Mâkhi Xenakis folgt den Wurzeln des Vaters bis zu dessen Großeltern zurück und erzählt von diesen Vorfahren aus zumeist chronologisch: Lebensstationen wie Xenakis’ Beteiligung am Widerstand im besetzten Athen, sein Ingenieurstudium, seine Emigration nach Paris, das Musikstudium, die für seine Entwicklung zentrale Zusammenarbeit mit dem Architekten Le Corbusier, die Förderung durch Komponisten wie Olivier Messiaen und Edgard Varèse sowie die Entwicklung von bisweilen radikalen musikalischen Konzeptionen, in denen mathematische und architektonische Ideen auf einen fast schon mystischen Naturbezug treffen, werden von der Tochter durch Rückgriff auf eine Fülle von Archivmaterialien und persönlichen Dokumenten geschildert.
Naturgemäß erhält dabei zwar auch das Anekdotische viel Raum, etwa wenn es um die Organisation des Familienlebens in der Pariser Wohnung oder die gemeinsamen Urlaube auf Korsika geht; doch erweisen sich solche Ausflüge ins Private letzten Endes als weitere Steinchen in einem großen Mosaik, weil sie dazu beitragen können, das Denken des Vaters zu verstehen und Einblicke in seine Inspirationsquellen zu gewinnen.
Insgesamt sind die Ausführungen von einer Mischung aus Bewunderung und respektvoller Distanz geprägt. Aus allem spricht die Bemühung, dem Schaffen und den Ideen des Vaters gerecht zu werden. Nachdrücklich gestützt wird dieses Anliegen durch eine Vielzahl von faszinierenden Farbreproduktionen, die Einblicke in musikalische und architektonische Skizzenprozesse, in unveröffentlichte Kompositionen oder auch in Korrespondenz geben.
Auch wenn die musikalische Seite meist zu kurz kommt und auch die Instrumentalmusik von Xenakis nicht unbedingt die ihr gebührende Würdigung erfährt, ist die Lektüre des Bandes außerordentlich bereichernd, zumal er gegenüber der 2015 veröffentlichten Version einige neue Fakten und – auch hier wieder durch Funde aus dem Privatarchiv – Berichtigungen von bislang falsch wiedergegebenen biografischen Details enthält. Als willkommene Abrundung ist am Ende noch ein Interview abgedruckt, das der Herausgeber Thomas Meyer 1988 mit dem Komponisten führte.
Stefan Drees