Werke von Elena Kats-Chernin, Johannes Maria Staud, Pierluigi Billone und anderen

I Was Like WOW

Contemporary Music for Bassoon. Contemporary Music for Bassoon, Lorelei Dowling (Fagott), Elena Kats-Chernin (Klavier), Klangforum Wien, Ltg. Johannes Kalitzke

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Tyxart TXA 6081
erschienen in: das Orchester 07-08/2017 , Seite 70

Zugegeben: Jacob TVs bunte Musik fasziniert mich. Und ich ha­be das Fagott ins Herz geschlossen. Wenn nun beide, Fagott und Jacob TV, gemeinsam daherkommen, grandios gespielt, dann hat man mög­licherweise einen interessanten Silberling in der Hand.
Expressive und technisch recht vertrackte Musik kombiniert Jacob Ter Veldhuis, so der komplette Na­me, gern mit poppigen Elementen und intensiven Texten. 2006 schrieb er I Was Like WOW! für die Posaune; die grandiose Fagottistin Lorelei Dowling hat sie nun für das tiefe Doppelrohr entdeckt. Das Stück lässt im Original im zugespielten Video zwei junge amerikanische Soldaten, beide schwer verletzt und verkrüppelt, Kriegserlebnisse schildern. Da­zu erklingt sporadisch ein perfekt polierter Syn­thesizersound von einer CD, mit der der Musiker exakt auf den Punkt ar­beiten muss. Dowling hat Interview und Sounds, aber nicht die Videos auf ihrer CD-Einspielung – und ein Fagott statt der viel kräftigeren, weicheren und flexibleren Posaune. Gerade die Besonderheiten des Fagotttons, also die leich­ten, schnell etwas hysterischen hohen Lagen, die grummelnde Tiefe und die pastorale Mitte, versorgen diese Einspielung Dowlings mit einer ganz besonderen, fragilen, fast bohrenden Intensität. Gut zehn Minuten Musik und Interviews: Jacob TV stellt den Grausamkeiten des Kriegs, die in den Interviews klar erläutert werden, fast lyrische Passagen gegenüber. Dowling spielt es makellos und voller Ausdruck.
In Sofia Gubaidulinas Concerto for Basson and Low Strings in fünf Sätzen dürfen Streicher und Fagott in tiefen Lagen schwelgen, hektische kleine Bewegungen einstreuen und Klang entwickeln. Dem ruhigen, aber keineswegs entspannten ersten Satz folgt ein ebenso ruhiger zweiter, har­monisch ein wenig düster. Freudiger startet das Fagott in den dritten Satz, die begleitenden Streicher holen es aber bald schon in die dunkle Welt dieses Werks zurück. Eine fröhliche Kantilene steht am Beginn des vierten Satzes, kurze Tonrepetitionen und eine Trillerkette wirken humoristisch – das Klangforum Wien (Leitung: Johannes Kalitzke) wirkt mit finsteren Klängen als dräuender Gegenpart. Aufgeregt geht das Werk zu Ende, ein flotter Galopp von Fagott und Ensemble gipfelt in sich melodisch hochschraubender Dramatik. Großer Beifall folgt dem letzen Ton: Dieser Track ist ein Konzertmitschnitt.
Elf Minuten Fagott-Solo (Johannes Maria Staud: Celluloid) lassen keine Sekunde Langeweile aufkommen. Sehr schöne Klangfarbenspiele gibt es in Pierluigi Billones Solowerk Blaues Fragment. Man sollte das Fagott und Neue Musik allerdings mögen, um beide Werke vollständig genießen zu können. Doch hat diese CD auch eine ausnehmend leichte, fröhliche Seite. Komponistin Elena Kats-Chernin begleitet Lorelei Dowling am Klavier durch fünf hübsche Tänze. Ein Tango mit wohl zelebrierten Akzenten, drei fast melancholische Sätze und ein grotesker Ragtime gefallen dem Ohr. Booklet und Cover sind ausnehmend hübsch und ausreichend informativ.
Heike Eickhoff