Giacomo Puccini

I Canti. Orchestral Songs & Works

Charles Castronovo (Tenor), Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Ivan RepuŠić

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: BR Klassik
erschienen in: das Orchester 6/2024 , Seite 68

Beim ersten Betrachten des Puccini-Albums I Canti fragt man sich, ob es nun der Komponist Giacomo Puccini ist, den man auf dem Cover-Foto erblickt, oder doch der Tenor Charles Castronovo, der die Lieder singt; so gekonnt wurde der Tenor theatralisch in Szene gesetzt. Bei genauerer Betrachtung sieht man, dass zwar Charles Castronovo als Puccini im Vordergrund zu erblicken ist, dass aber ein echtes Porträtfoto von Puccini hinter ihm auf einem Tisch steht. Diese Gestaltung ist überaus einfallsreich und hintergründig.
Zu hören sind auf dieser CD 16 Lieder von Giacomo Puccini, aber nicht in der Original-Klavierfassung, sondern in einer von Johannes X. Schachtner für Orchester arrangierten und bearbeiteten Form. Schachtners Ziel war es, die Lieder in ein orchestrales Gewand zu übersetzen. Herausgekommen ist ein durchaus stimmiges Werk, das stark an Puccini gemahnt, wenn auch eigene Einflüsse Schachtners immer mal wieder deutlich herauszuhören sind. Dennoch weisen die Lieder im Sinne Puccinis einen großen Melodienreichtum auf und sind entsprechend dem typischen Klavierlieder-Stil des 19. Jahrhunderts nach Belcanto-Tradition angelegt. Gesungen werden sie vom amerikanischen lyrischen Tenor Charles Castronovo, der 2000 sein Europa-Debüt gab und bereits seit 2006 mit dem Münchner Rundfunkorchester zusammenarbeitet. Sehr gefühlvoll widmet sich Castronovo dem Belcanto-Klang, auch wenn er Sängergrößen wie Luciano Pavarotti von Stimmvolumen und Ausdruck her nicht gewachsen scheint. Schwelgerisch schmelzend vollführt Castronovo mit warmem, dunklem Timbre einen wahren Gang durch die Emotionen in verschiedenen Stimmungen, wie in Liebesliedern, Schlafliedern, Albumblättern usw. Der zweite Teil der CD widmet sich dann den Orchestergattungen, gespielt wird Puccinis Preludio sinfonico, sein Capriccio sinfonio und Crisantemi. Alle diese Orchesterwerke wurden von Lucas Drew für Streichorchester bearbeitet. Schade, dass nicht die Originalfassung zu Gehör gebracht wurde.
Wenn auch diese Orchesterwerke durchaus klingend gespielt werden, so fragt sich doch, warum der Gesangsschwerpunkt der CD nicht bis zum Ende weiterverfolgt wurde. Hier hätten ja auch andere Lieder von Belcanto-Komponisten zum Klingen gebracht werden können, es hätten Puccini-Arien folgen können oder, und vielleicht sogar am besten, die CD hätte mit ca. 42 Minuten auch enden können.
Als interessante Ergänzung dient das umfassende Booklet mit Hinweisen zur Entstehung der Orchesterfassung zu Puccinis Liedern von Schachtner, zur Erläuterung von Puccinis symphonischen Jugendwerken und zu den Lebensläufen der einzelnen Beteiligten. Eine durchaus gelungene CD, die zum Genießen einlädt, wenn auch die Zusammenstellung der Werke und die Bearbeitungen etwas fraglich bleiben.
Claudia Behn