Davies, Peter Maxwell

Hymn to Artemis Locheia

for clarinet quintet

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, London 2004
erschienen in: das Orchester 09/2006 , Seite 90

Mozart, Weber, Brahms und Reger – das sind die Fixsterne am Klarinettenquintett-Himmel. Peter Maxwell Davies allerdings orientiert sich in seiner Hymn to Artemis Locheia für Klarinette und Streichquartett so gar nicht an den klassischen Vorbildern. Als einzige Parallele mag da vielleicht die Tatsache herhalten, dass auch in Maxwell Davies’ vor rund zwei Jahren entstandenem Werk die Klarinette eine, wenn nicht die dominierende musikalische Rolle spielt.
Die im Auftrag des Leiters einer englischen Gynäkologieklinik geschriebene Komposition trägt im Titel den Namen einer griechische Fruchtbarkeitsgöttin – ist ansonsten jedoch offensichtlich gänzlich unprogrammatisch konzipiert. Peter Maxwell Davies gliedert sein Klarinettenquintett in zahlreiche, bisweilen stark im Tempo kontrastierende Episoden, die sich makroskopisch, aber zu keinen klassischen Satzstrukturen verdichten. Im Detail lebt das Werk von zahlreichen Taktwechseln, die allerdings nie den Fluss der Musik unterbrechen.
Die Klarinette bestimmt – von wenigen Ausnahmen wie der dem Streichquartett vorbehaltenen Einleitung – das musikalische Geschehen, ihre zentrale Rolle wird vom Streicherapparat getragen, sodass bisweilen durchaus von konzertanten Elementen in diesem mit rund 30 Minuten Spieldauer recht ausgreifenden Hymnus gesprochen werden kann. Dabei werden dem Klarinetten-Solo wie auch den vier Streicherstimmen phasenweise eine hohe Virtuosität abverlangt. Extreme Lagen, zügige Tempi und komplexe rhythmische Strukturen weisen den Komponisten als versierten Kammermusikschöpfer aus.
Doch Peter Maxwell Davies garantiert mit seinem durchaus musikantischen Ansatz auch eine erhebliche Breitenwirkung seiner Werke. Hier ist kein Musiktheoretiker am Werk, sondern ein Klangvirtuose; der Hymnus an Artemis Locheia kündet davon insbesondere durch seinen enormen Kontrastreichtum. Gesanglich ausgreifende Passagen stehen hier neben Perpetuum-mobile-Abschnitten, Tänzerisches neben athmosphärisch dichten Klanggemälden.
Ein solches Werk benötigt und verdient natürlich erstklassige Interpreten. Im Fall der Uraufführung vor knapp zwei Jahren beim Lucerne Festival waren das der Klarinettist Dimitri Ashkenazy und das Brodsky Quartet. Andere Ensembles werden auf Basis der sauber gesetzten Stimmen und der übersichtlichen Partitur aus dem Schott-Verlag nachziehen und ein so unkonventionelles wie hörenswertes Werk hoffentlich bald in den engeren Kanon der Klarinettenquintette aufnehmen.
Daniel Knödle