Hilmar, Ernst

Hugo Wolf Enzyklopädie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Hans Schneider, Tutzing 2007
erschienen in: das Orchester 12/2007 , Seite 77

Das ist ein großartiges Werk, jüngst vorgelegt von dem international bekannten Schubert-Forscher Ernst Hilmar. Endlich ist nach vielen Lexika, Handbüchern und anderen Nachschlagewerken unterschiedlicher Couleur allbekannter Komponisten eine mit 518 Einzelartikeln umfassende Enzyklopädie über Hugo Wolf erschienen: über das bewegte Leben als Komponist, Dirigent, Interpret seiner Werke und scharfzüngiger Musikkritiker im Wiener Salonblatt, seine für manche unnahbare Persönlichkeit, seinen durchaus schwierigen Charakter, sein nicht nur auf das Lied beschränktes Schaffen, die bis heute fortdauernde Wirkungsgeschichte, insbesondere seiner Lieder und deren Dichter.
Ferner finden sich auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand befindliche und teilweise über diesen hinausgehende, werkimmanente und analytische Einzelartikel über seine Opern, Sinfonien, selbstverständlich über einige seiner berühmt gewordenen Lieder wie dem Feuerreiter oder Liederzyklen wie dem Spanischen und Italienischen Liederbuch. Desweiteren findet der interessierte Leser informative Artikel über Tonarten, Tempovorschreibungen, Melodik, Rhythmik, Form etc., Wolfs Wirkungsstätten, seine Reisen, sein persönliches Umfeld, seine Familie und seine hohe literarische Bildung. Das Nachschlagewerk beschreibt die Tätigkeiten der einzelnen Wolf-Gesellschaften bis hin zur Reflexion von Wolfs tödlich verlaufender Krankheit und seinem Ende in der niederösterreichischen Landesirrenanstalt. Zum ersten Mal wird u.a. auch Gustav Mahlers mysteriöses Vorgehen bei der Uraufführung von Wolfs Oper Der Corregidor aufgedeckt.
Seit Erscheinen der letzten großen Wolf-Biografie des englischen Wolf-Enthusiasten Frank Walker in den 1950er Jahren keine bedeutende bzw. nennenswerte größere Arbeit mehr auf dem Gebiet der Wolf-Forschung erschienen. Selbst die Hugo-Wolf-Gesamtausgabe in Wien hat zur Biografie und Rezeptionsgeschichte kaum etwas Erhellendes auf den Weg gebracht. Ernst Hilmars Enzyklopädie enthält über 180 Schwarzweiß-Abbildungen, worunter mehrere Erstveröffentlichungen sind. Das neue Opus maximum der Wolf-Literatur basiert nicht nur auf dem gesamten bisherigen Wolf-Wissen, sondern enthält zahlreiche persönliche Recherchen des Autors, insbesondere vieler bislang unbekannter Lebensdaten der Freunde aus Wolfs Umkreis, und Einzeluntersuchungen eines zum Teil noch nicht gesichteten Quellenmaterials sowie eines Großteils seiner etwa 2100 verfassten Briefe.
Hilmar unterzieht den Komponisten einer neuen Betrachtung und Bewertung, frei von scharfen Anfeindungen und gängigen Klischees. Hilmars fast 600 Seiten starkes Werk wird für die nächsten Forscher-Generationen Bestand haben und sich zu einem nicht mehr wegzudenkenden, grundlegenden Standardwerk in der Wolf-Forschung erheben. Fast 70 Seiten sind dem Anhang mit einer vollständigen Werkliste und einem mehrteiligen Register gewidmet, zahlreiche Querverweise machen das Buch zu einer lesenswerten und spannenden Lektüre.
Werner Bodendorff