Leopold Spitzer

Hugo Wolf – Leben und Werk

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Musikwissenschaftlicher Verlag
erschienen in: das Orchester 03/2018 , Seite 60

Der Name Leopold Spitzer ist in der Fachwelt eng mit dem Liedkomponisten Hugo Wolf verbunden. Bei ihm ist diese Bezeichnung weitaus zutreffender als bei Franz Schubert, ist doch insbesondere das Lied – von wenigen Werken aus anderen Gattungen abgesehen – Wolfs beinahe einzige Domäne.
Spitzer, seit 1988 Präsident der Hugo-Wolf-Gesellschaft, widmete sich seit seinem Studium dem 1903 verstorbenen Komponisten. Er brachte einige seiner Werke im Rahmen der Gesamtausgabe heraus, unter anderem 2002 dessen Kritiken im Salonblatt, ferner 2010/11 eine vierbändige Ausgabe sämtlicher Briefe, und veröffentlichte bereits 2003 zum 100. Todestag die Werkbiografie Hugo Wolf: Werk und Leben. Diese erschien als Band 9 in Manfred Wagners Reihe „Musikerportraits“.
Wenn auch „damals noch unveröffentlichte Dokumente“, so der Autor in seinem im August 2017 verfassten Vorwort, noch nicht gesichtet waren, musste er „an der ursprünglichen Darstellung – von einer Erweiterung durch einen Quellennachweis abgesehen – keinerlei Änderungen“ vornehmen. So gesehen ist es nicht zu verstehen, warum die Werkbiografie nicht als Zweitauflage deklariert wurde; selbst das Cover ist nahezu unverändert.
Eine Annäherung an Hugo Wolf soll es sein, dessen Werk aber, so Spitzer, nie „gänzlich enträtselt werden“ könne. Ich meine, es sollte auch weniger enträtselt als vielmehr geforscht werden. In den vergangenen fünfzehn Jahren hat sich viel Material über Hugo Wolf angehäuft: Neben jenen über 2000 Briefen liegen für eine ausstehende Rezeptionsforschung beispielsweise Programme und noch zahlreiche unbearbeitete Rezensionen vor. Trotz der schon länger als abgeschlossen betrachteten Gesamtausgabe seiner Werke ist die Wolf-Forschung in den vergangenen fünfzehn Jahren nicht bedeutend weitergekommen. Gibt es keine neuen Erkenntnisse mehr, keine anderen Perspektiven oder Ideen? Das klingt nach Todesurteil.
Seit dem jüngsten großen musikwissenschaftlichen Wirbel um Wolf zum 100. Todestag ist es um ihn wahrlich recht still geworden. Nur zwei Forscher brachten in der Zwischenzeit zwei große Werke heraus: Ernst Hilmar 2007 die große Hugo Wolf Enzyklopädie, Margret Jestremski 2011 das Hugo-Wolf-Werkverzeichnis (HWW). 2013 legte Leopold Spitzer im Musikwissenschaftlichen Verlag Wien den Bericht vor zum Symposion Hugo Wolf – zwischen Mythos und Realität, das 2012 in Stuttgart stattfand.
Auch das recht knappe Literaturverzeichnis in der vorliegenden Werkbiografie demonstriert in erschreckender Weise die fehlenden Forschungen. Und dies, obwohl bereits vor zehn Jahren Hilmar in seiner Hugo Wolf Enzyklopädie den Finger auffordernd in die Wunde gelegt hatte: „Hugo Wolf steht nicht im Zentrum des Interesses der Musikwissenschaft.“ Es gibt wohl „zu Einzelthemen selbstständige Studien“, aber „grundlegende wissenschaftlich orientierte Veröffentlichungen zu seinem Leben und zum Gesamtwerk fehlen“ – und das bedauerlicherweise immer noch.
Werner Bodendorff