Werke von Luis die Matteo, Flausimo Vale, Astor Piazzolla und anderen
Huella
South American Music for Violin & Piano. Carlos Johnson (Violine), Rieko Yoshizumi (Klavier)
Auch wenn viele von ihnen in Europa studiert haben: Insgesamt sind lateinamerikanische Komponisten in den europäischen Konzertsälen oder auf dem hiesigen CD-Markt selten vertreten. Eine CD mit nicht weniger als vierzehn Komponisten und Werken aus fünf Ländern Südamerikas darf daher von vornherein einen hohen Repertoirewert für sich beanspruchen. Der aus Peru stammende Geiger Carlos Johnson, Konzertmeister der Lübecker Philharmoniker, und die japanische Pianistin Rieko Yoshizumi, Professorin an der Dresdner Musikhochschule, haben ein zugleich anspruchsvolles wie abwechslungsreiches Programm zusammengestellt.
Als Hauptwerke der CD mag man das Duo von Luis di Matteo, 1934 in Uruguay geboren, und die Pampeana I op. 16 von Alberto Ginastera betrachten, dessen 100. Geburtstag man in diesem Jahr begeht. Das dreisätzige, sonatenartige Werk des Bandoneon-Virtuosen Luis di Matteo, den beiden Interpreten gewidmet, atmet unverkennbar den Geist des Tangos in kontrastreichen, manchmal allerdings etwas spröden Ausprägungen bis zum finalen Epilogo frenetico.
Ginasteras zehnminütige argentinische Rhapsodie von 1947 folgt im Wesentlichen dem zweiteiligen Langsam-schnell-Schema, wobei der virtuose Abschluss aus einem Malambo, dem typischen Gaucho-Tanz im 6/8-Takt, besteht. Das Stück besticht mit publikumswirksamer, flageolett- und pizzicatoreicher, oft Gitarrenwirkungen imitierender Virtuosität vor allem des Geigenparts.
Die 2006 geschriebene Suite Venezolana des 1959 geborenen Paul Desenne stellt in ihrer moderneren Tonsprache noch deutlich höhere Ansprüche an die Intonation des Geigers wie an das Auffassungsvermögen des Hörers. Das Ausgangsmaterial des viersätzigen Werks entstammt der Lied- und Tanzfolklore Venezuelas.
Die kürzeren Stücke der Brasilianer Mozart C. Guarnieri, Heitor Villa-Lobos (Gesang des schwarzen Schwans) und Flausino Vale, die peruanisch inspirierten Beiträge von José Carlos Campos, Renzo Bracesco (Canto Incaico), Edgar Valcárcel und Ernesto Mindreau (Marinera y tondero in einer spritzigen Bearbeitung Carlos Johnsons), die Salonstücke der Argentinier José Bragato (Impresionista) und Julián Aguirre (Huella [Spur], das titelgebende Stück der CD, in einer Bearbeitung von Heifetz), schließlich Mi Teresita von Teresa Carreño und der temperamentvolle Tango en la von Astor Piazzolla runden das Bild dieser Edition auf erfreulich vielschichtige Weise ab.
Auch wenn kleinere Wünsche in Intonation, Vibratokontinuität und klavieristischer Durchsichtigkeit offen bleiben, so überzeugt das Duo Johnson/Yoshizumi mit engagierten, rhythmisch pointierten und dynamisch kontrastreichen Interpretationen bei gut ausbalanciertem Klangbild. Der Booklet-Essay von Richard Erkens gibt eine kenntnisreiche Einführung in die Materie.
Rainer Klaas