Vivaldi, Antonio / Peter Johann Fick / Joseph Reicha / Johann Matthias Sperger

Hornkonzerte

Concerto Nr. 2 für zwei Hörner, Streicher und B.c. op. 48/6 / Concerto Es-Dur für Horn, Streicher und B.c. / Concerto Concertant für zwei Hörner und Orchester op. 5 / Concerto Es-Dur für Horn und Orchester

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Berlin Classics 0183862 BC
erschienen in: das Orchester 09/2004 , Seite 83

Das Licht im Saal verdunkelt sich, gespannte Stille entsteht, der Dirigent hebt den Taktstock zu Schuberts großer C-Dur-Sinfonie und gibt den Einsatz. Und wie aus dem Nichts wächst aus einem fast körperlos angesetzten Ton jenes herrliche Hornsolo, dessen Thema das Anfangs-Andante bestimmt.
Wird da die Dresdner Staatskapelle dirigiert, dann war es wohl Peter Damm, ihr langjähriger Solohornist, der diese Passage so ansatzlos intonierte und zu vollem Klang aufblühen ließ. Ich kenne keinen anderen Hornspieler mit einem ähnlich weichen Tonansatz. Als ich ihn einmal nach seinem Geheimnis fragte, sagte er nur: „Ich habe das bei meinem Lehrer so gelernt und ich kann’s halt nicht anders…“ Peter Damm – er gehört zu den wenigen ostdeutschen Instrumentalisten, die sich früh und weit über die Grenzen der DDR einen großen Namen machten. Heute lebt der umtriebige Musikprofessor im Ruhestand, den er sich verdient hat: Er blies sein Horn nicht nur im Orchester der Bühnen der Stadt Gera, sondern zehn Jahre lang im Leipziger Gewandhausorchester und danach 33 Jahre lang als erster Hornist der Dresdner Staatskapelle; sie ernannte ihn bei seiner Verabschiedung vor zwei Jahren zum Ehrenmitglied.
Wer nicht glauben will, wie schön Peter Damm einen Hornton entstehen lassen kann, der mag den großartigen Instrumentalisten auf der eben erst erschienenen CD bewundern. Es ist eine Aufnahme von 1979 aus dem Archiv der VEB Deutsche Schallplatten Berlin mit vier für die Konzertentwicklung im 18. Jahrhundert typischen Werken, darunter ein Vivaldi-Doppelkonzert, das damals auf der LP keinen Platz mehr hatte, jetzt also zum ersten Mal – und technisch verbessert – zu hören ist.
In diesem zeitlich frühesten Stück spielt István Vince das zweite Horn und es scheint, als hätte der sich ganz besondere Mühe gegeben, wie ein zweiter Peter Damm zu klingen, mit ebenso schmeichelhaft vollem Ton. Kaum zu glauben, dass dieses solistisch schwierige Werk mit seiner extrem hohen Lage der Hornstimmen in Venedig adäquate Instrumentalisten gefunden haben soll… Oder hat man vielleicht auch hohe Trompeten anstelle der Hörner verwendet wie Ludwig Güttler in seiner Einspielung dieses Stücks? Der Komponist notiert die Hornstimmen in der autografen Partitur in C, doch verlangt die Tonart F-Hörner: So klingt das Werk bei aller Virtuosität bar jeder triumphalen Geste in eindringlicher Sanftheit ungemein schmeichelhaft.
Das zur gleichen Zeit entstandene Konzert eines bisher unbekannten Peter Johann Fick entdeckte Peter Damm in der Schweriner Landesbibliothek, wo noch mehr Manuskripte dieses Komponisten der Wiedererweckung harren. Fick, der viele Manuskripte des Venezianers für den Schweriner Hof abgeschrieben hat, war hörbar Vivaldi-begeistert. Sein Konzert folgt ganz der virtuosen venezianischen Konzertform, doch zeigen sich schon Ansätze zu einer ins Gemütvolle, Gesangliche deutenden Beherrschtheit, die empfindsam gefühlvoll dem deutschen Gemüt näher lag als sprühende Virtuosität.
Zu Mozarts Zeit schrieb der Böhme Antonio Rosetti am Hof von Oettingen-Wallerstein für die großartigen, ebenfalls meist böhmischen Bläser der Hofkapelle sieben Konzerte für zwei Hörner und Orchester, vermutlich die ersten ihrer Art. Joseph Reicha und sein Neffe Anton, ebenfalls böhmischer Herkunft, spielten in der Wallersteiner Kapelle. Beide gingen 1785 gemeinsam nach Bonn, wo Joseph bald Dirigent des Orchesters des Hoftheaters wurde und Anton zusammen neben dem jungen Beethoven im Orchester saß.
Joseph Reicha hat wohl Rosettis Idee eines Konzerts für zwei Hörner aufgegriffen, wobei er schon mit dem Titel „Concert concertant“ einen hohen spieltechnischen Anspruch anmeldet. Es entspricht in seiner Faktur und vor allem im technisch höchst anspruchsvollen Part beider Hörner dem Niveau der einfallsreichen Kompositionen Rosettis, melodieselige Kantilenen wechseln ab mit vertrackten virtuosen Passagen – man mutete den noch ventillosen Hörnern einiges zu!
Und das gilt auch für das hier eingespielte Hornkonzert von Johann Matthias Sperger, der zeitlebens in Schwerin an einem Fürstenhof wirkte, mit dem sich wiederum Antonio Rosettis Schicksal verband, der von Wallerstein kommend dort seine letzten und fruchtbaren Lebensjahre verbrachte. Spergers Hornkonzert zeigt ihn als fantasievollen Kollegen, der mit einer sehr kantablen Gestaltung des Hornparts, aber auch mit hohen spieltechnischen Anforderungen Eigenständigkeit beweist.
Peter Damm, der die Werke Reichas und Spergers selbst eingerichtet und mit eigenen Kadenzen versehen hat, ist der beste Sachwalter seiner Funde. Und „seine“ Staatskapelle unterstützt „ihren“ ersten Hornisten hörbar mit Freude und Begeisterung.
 
Diether Steppuhn

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