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Musik für Flöte und Orgel

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Motette CD MOT 20361
erschienen in: das Orchester 06/2011 , Seite 78

Diese in der Düsseldorfer Lambertus-Kirche aufgenommene CD stellt ein durchaus ungewöhnliches Programm vor: die Sonata von Francis Poulenc, die Six Epigraphes antiques von Claude Debussy, Tiento von Frank Michael Beyer, die Sonata da Chiesa von Frank Martin, die Trois mouvements von Jehan Alain, die Suite op. 116 von Benjamin Godard und Offertoire op. 12 von Johannes Donjon. Gespielt wird es von Ulf-Dieter Schaaff mit einem Flötenton, der bei aller Schönheit unglaublich differenziert dem musikalischen Ausdruck folgt, und von Frank Volke mit einem so sinnfällig artikulierten Orgelspiel, als ob auch dieses Instrument ein vom Atem bewegtes wäre.
Poulencs Sonata für Flöte und Klavier mit Orgel zu spielen, das scheint ein beinahe verwegenes Unterfangen – doch man muss zugeben, dass sie dank der überraschend-bezaubernden Klangfarben, die ihre musikalische Struktur eher noch verdeutlichen, in ganz neuem Licht erscheint. Ebenso gelungen dann die Six Epigraphes antiques, hier nach einer Fassung für Flöte und Klavier von Karl Lenski zu hören. Dem archaischen Charakter dieser Musik, so scheint es, kommen die französisch-romantische Disposition der Orgel und die räumliche Wirkung in besonderer Weise entgegen.
Beyers Tiento (1965) ist eines der beiden original für Flöte und Orgel geschriebenen Stücke. Beyer, selbst Organist und mit der Wiener Schule (insbesondere Webern) vertraut, komponierte in gewissem Sinn abstrakt, aber so sinnfällig und lebendig wie die kontrapunktischen Verflechtungen der Stimmen ausgeleuchtet werden, erschließt sich seine Musik ganz unmittelbar. Die Sonata da Chiesa von Martin, 1938 für Viola und Orgel komponiert, ist in der Flötenfassung von 1941 ein Paradestück für die Besetzung. Auch hier bringt die Intensität der Interpretation gleichsam das innerste Wesen der Musik zum Klingen, Martins Vorstellung gemäß, dass in der Musik Schönheit Gelingen sei. Der Klavierpart der Trois mouvements von Jehan Alain (1911-1940) wurde später von Marie-Claire Alain, der Schwester des Komponisten, für die Orgel eingerichtet. Man hört die originellen Miniaturen fast nur in dieser Besetzung, von daher könnte man sie zu den Originalkompositionen rechnen. Bei der Suite von Benjamin Godard, ursprünglich für Flöte mit Orchester- oder Klavierbegleitung, handelt es sich um Unterhaltungsmusik im besten Sinn, die mit hörbarem Vergnügen dargeboten wird. Zum Schluss dann noch Offertoire, ein kleines Stück des Pariser Flötisten Johannes Donjon (1839-1912). Obwohl mehrfach für Flöte und Klavier verlegt, wurde es ursprünglich tatsächlich für Flöte und Orgel komponiert.
Die CD bietet, von Beyers Tiento abgesehen, das erstmalig eingespielt wurde, weniger Neuentdeckungen als vielmehr ganz besondere Hörerlebnisse. Dass Querflöte und Orgel, also nur eine einzige horizontale Pfeife gegen eine ganze Anzahl vertikaler Pfeifen, mit dem resultierenden Ungleichgewicht der Kräfte derart virtuos umgehen können, ist der Aufnahmetechnik zu verdanken und den klanglichen Möglichkeiten der Rieger-Orgel. Ulf-Dieter Schaaff und Frank Volke haben mit dieser CD ausgezeichnete Überzeugungsarbeit für eine nicht ganz unproblematische Besetzung geleistet. Kompliment für ihre Demonstration des kammermusikalisch Möglichen!
Ursula Pešek