Messinger, Bernd / Patricia Tratnik

Hohe Kultur – Flache Debatten

Eine Streitschrift, hg. von Petra Roth

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Henschel, Leipzig 2014
erschienen in: das Orchester 07-08/2014 , Seite 67

Politischer Einsatz und finanzielle Ausgaben für Kultur haben seit jeher ein Problem: die Legitimation. In Zeiten knapper Haushalte und sinkender Besucherzahlen in deutschen Theatern ist diese Herausforderung noch größer geworden. Womit also rechtfertigen, dass weit über die Hälfte der Ausgaben öffentlich getragener Kultureinrichtungen aus Subventionen bedient werden? Diese und weitere Fragen gehören zum Alltag der Kulturpolitiker.
Zwei, die diese Szene bestens kennen sind Bernd Messinger und Patricia Tratnik – langjährige Mitarbeiter von Petra Roth, ehemalige Frankfurter Oberbürgermeisterin. Während sich Letztere im Buch Hohe Kultur – Flache Debatten als Herausgeberin im Hintergrund hält, berichten Messinger und Tratnik als Hauptautoren von den täglichen Unwägbarkeiten des kulturpolitischen Betriebs. Mal geht es um die Eigenheiten unterschiedlicher Parteien, dann um die Frage, warum Kulturelles immer wieder durch einen sozialen Nutzen rechtfertigt wird anstatt für sich selbst zu stehen. Die Reihenfolge der 18 Kapitel in dem dünnen Büchlein folgt dabei keiner erkennbaren Logik. Vielmehr wirken die Essays wie einzelne Gedankenspiele, jedoch immer nachvollziehbar in sich abgeschlossen.
Messinger und Tratnik stellen dabei häufig Bezüge zu geschichtlichen Ereignissen oder auch philosophischen und literarischen Größen her. So darf ein Zitat von Seneca herhalten, um die Abhandlungen über Finanzierungsmöglichkeiten von Kultur einzuleiten; Johann Wolfgang von Goethes Farbenlehre wird zu den politischen Akteuren unterschiedlicher Couleur in Verbindung gesetzt. Diese Bezüge lockern die Texte auf, sie sind originelle, oft unerwartete Anstoßpunkte – auch wenn sich ihre Herleitung nicht immer unmittelbar erschließt. Überraschend und überzeugend ist außerdem die breite Definition von „Kultur“, die die beiden Autoren zugrunde legen. Abseits von Theatern und Museen rückt für Messinger und Tratnik unter anderem auch die Bestattungskultur in den Blickpunkt. Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit der Problematik der Prostitution am Beispiel des Frankfurter Straßenstrichs.
Überhaupt ist diese Stadt Dreh- und Angelpunkt der Publikation. Viele Themen werden an konkreten Beispielen aus der lokalen Politiklandschaft festgemacht, was das Geschriebene gut veranschaulicht, Nicht-Frankfurtern zuweilen aber etwas Rechercheaufwand abverlangt. Leider hält das Buch nicht ganz das ein, was es auf dem Einband verspricht: „Kein kultursoziologisch trockenes Brot, sondern live aus dem politischen Alltag.“ Trocken sind die Essays zwar tatsächlich nicht, aber man hätte sich noch mehr praktische Einblicke hinter die Kulissen erhofft.
Alles in allem ist Hohe Kultur – Flache Debatten ein gelungenes Buch, vor allem für die Kenner der Frankfurter Kulturszene. Andere Leser können sich über vielfältige Denkanstöße freuen. Die übersichtliche Einteilung in viele kleine Kapitel erlaubt eine kurzweilige Beschäftigung mit dem sonst so sperrigen Thema Kulturpolitik.
Rebekka Sambale