Leopold, Silke / Bärbel Pelker

Hofoper in Schwetzingen

Musik, Bühnenkunst, Architektur

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2004
erschienen in: das Orchester 01/2005 , Seite 78

Ein Kleinod mit wechselvoller Geschichte: Das Schwetzinger Rokokotheater, erbaut und festlich eingeweiht 1753, ist das älteste erhaltene Rangtheater der Welt, das außerdem noch in Betrieb ist. Das 250-jährige Bestehen dieses kleinen, schmucken Hauses in der ehemals kurfürstlichen Sommerresidenz war im vergangenen Jahr Anlass für eine umfassende wissenschaftlich-historische Aufarbeitung der Forschungsstelle „Mannheimer Hofkapelle“ der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Das Ergebnis ist ein besonders schöner, das Auge ebenso wie den Geist erfreuender Prachtband aus dem Heidelberger Universitätsverlag Winter.
Herausgeber sind die Musikwissenschaftlerinnen Silke Leopold und Bärbel Pelker, die als Autorinnen vor allem die mit die-
ser Bühne verbundene Operngeschichte rekapitulieren. Sie widmen sich dem hier gepflegten musikalischen Repertoire, das sie dokumentieren, und der großen Zahl der hier persönlich vom Mannheimer Kurfürsten empfangenen Komponisten, Virtuosen oder Librettisten. Die sorgsam zusammengetragenen Bildnisse sind auf durchweg hochwertigem Papier hervorragend wiedergegeben. So bieten die Herausgeberinnen auch Einblicke in das künstlerische Umfeld am Hof Carl Theodors, dessen Musik- und Kunstleidenschaft legendär sind.
Viele der Künstler sind durch die Briefe Mozarts bekannt, der hier selbst als kleiner Junge auf der Bühne stand – allerdings nicht im eigentlichen Theater, sondern in einem der Zirkelsäle – und der bei seinen späteren Mannheimer Aufenthalten ausführlich über die bis 1777/78 tätige Hofmusik berichtete.
Die Dokumentation der hier zur Aufführung gebrachten Opern von Hasse über Jomelli bis Piccini, von Johann Christian Bach über Galluppi und Schweitzer bis Gluck, von denen teilweise nur die Texte erhalten sind, beschränkt sich auf knappe Inhaltsangaben und die oft spärlich überlieferten Fakten der Schwetzinger Inszenierungen: Die originalen Text- oder Regiebücher bzw., soweit erhalten, auch die Partituren oder Skizzen zu Bühnenbildern sind vorzüglich abgebildet und bestens kommentiert.
Dass in Schwetzingen immer wieder Operngeschichte geschrieben wurde – und nicht nur im 18. Jahrhundert, sondern auch später durch zahlreiche Uraufführungen im Rahmen der Schwetzinger Festspiele –, ist hinlänglich bekannt.
Darüber hinaus sind heute die erhaltenen Hinweise zur spätbarocken Theaterpraxis sowie zur Baugeschichte des erst nach dem Zweiten Weltkrieg zum „Rokokotheater“ erhobenen Gebäudes von Interesse. Die betreffenden Beiträge nehmen gebührenden Raum in dieser Publikation ein. Ihr kommt fraglos schon deshalb der Rang eines Standardwerks zur allgemeinen Geschichte des Theaters im 18. Jahrhundert zu. Die vielfachen frühen Umbauten und der Mitte der 70er Jahre
vorgenommene Totalabriss und Neubau des Bühnenhauses sind sorgsam dokumentiert. Dass dabei immer wieder Originalmaterial verloren ging (u. a. die gesamte barocke Bühnentechnik), wird heute allgemein bedauert. Es lässt sich aber aus der Argumentation der Zeit heraus, die-ses wertvolle Theater vor allem durch die Wiederherstellung seiner Bespielbarkeit als Ganzes retten zu können, durchaus nachvollziehen.
Eine umfassende „Chronologie zu Musik und Theater in Schwetzingen 1743-2003“ – die Geschichte der Kunst in Schwetzingen beginnt spätestens ein Jahrzehnt vor dem eigentlichen Bau des Theaters – schließt diese aufwändige Neuerscheinung sinnvoll ab.
Matthias Roth