Hilary Hahn
A Portrait. Directed by Benedict Mirow
Man muss schon lange suchen, bis man beim DVD-Porträt von Hilary Hahn endlich herausbekommt, welche Orchester die Jahrhundert-Geigerin begleiten. Auf der Hülle steht nichts, immerhin verweist ein Aufkleber auf dem Cover auf den Dirigenten Kent Nagano. Noch kleiner gedruckt finden sich dann auch endlich die Orchester im Beiheft auf der letzten Seite. Dabei sind immerhin das Deutsche Symphonie-Orchester (DSO) sowie das London Symphony Orchestra und The Hong Kong Philharmonic Orchestra zu erleben.
Noch dazu dirigieren neben Nagano zudem Sir Colin Davis und Günter Herbig, deren Namen aber auf dem Cover-Aufkleber ebenfalls nicht auftauchen. Wenn dann auch noch private Momente versprochen und auf der DVD nicht wirklich eingelöst werden, ist die Verwirrung groß. Denn wer persönliche Einblicke in Kindheit, Jugend und Familie des Geigenstars erwartet, wird enttäuscht. Dafür wird aber ein sehenswertes Bild der Berufsgeigerin Hahn gezeichnet.
So begleitet man die Jetsetterin nach Hongkong, London, Berlin, München und Dresden. Zumindest etwas persönlich wird es, wenn Hahn durch das Curtis Institute in Philadelphia führt, an dem sie studiert hat. Da zeigt sie etwa den Raum, in dem sie nach ihrem ersten Vorspiel auf das Ergebnis wartete, oder die Couch, auf der sie sich als Studentin lümmelte. An einer Wand hängt wiederum ein Foto, das auch Jascha Heifetz zeigt.
Heifetz lächelt tatsächlich auf diesem Bild, stellt Hahn etwas belustigt fest, das ist ungewöhnlich. Komisch nur, dass man dies auch von ihr selbst sagen könnte zumindest lächelt Hahn auf ihren CD-Cover so gut wie nie. Es sind solche Details, die den Film sehenswert machen, denn Regisseur Benedict Mirow ist es gelungen, ein authentisches, unverfälschtes, ungeschöntes Bild von Hahn einzufangen. Nur selten wird kommentiert, ansonsten führt und redet vor allem Hahn selbst.
Das Bild, das sie dabei von sich zeichnet, vermittelt zuweilen beklemmende Naivität. An vorderster Stelle rangieren ihre Äußerungen über Musik und Komponisten, insbesondere über Erich Wolfgang Korngold. Er sei in die USA gegangen und zum Filmkomponisten geworden. Offenbar weiß Hahn nicht, dass Korngold als Jude vor den Nazis flüchten musste und die Filmmusik im US-Exil seine einzige Chance war, worunter er wie viele andere auch sehr gelitten hat. Doch sie sagt es selbst: Ich versuche nicht etwas auszusagen, sie wolle Musik nur präsentieren, so Hahn über ihren generellen Interpretationsansatz.
Tatsächlich besticht denn auch ihr Spiel mit technisch brillantem Schönklang, wenn sie mit dem sensibel begleitenden DSO unter Nagano Korngolds Violinkonzert gestaltet. Eine aufrüttelnde, tiefe, erschütternde Deutung darf man allerdings von ihr nicht erwarten. Da stört es dann auch nicht weiter, dass Tully Potter im Beiheft Hahn stets beim Vornamen nennt: Denn sie selbst gibt sich als kleines Mädchen von nebenan, eine ernsthafte Musikerin präsentiert sich hier nicht.
Marco Frei