Lengemann, Martin U. K.

Herbert Blomstedt

Eine Annäherung in Text und Bild / Coming closer to the man and the artist

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: B & S Siebenhaar Verlag, Berlin 2007
erschienen in: das Orchester 12/2007 , Seite 76

Was passiert, wenn ein bekannter Fotograf einem berühmten Dirigenten begegnet? Die Antwort gibt Martin U. K. Lengemann in einem schmalen Büchlein, einer Hommage an den schwedisch-amerikanischen Dirigenten Herbert Blomstedt. „Bücher können nicht durch Klänge, sondern nur durch Bilder, Worte und deren Zusammenspiel entstehen“, stellt Lengemann im Vorwort fest, und so präsentiert er eine reizvolle Melange aus bekannten und unbekannten Aufnahmen sowie deutsch/englischen Texten, die Blomstedt nicht nur als Künstler, sondern auch und vor allem als Mensch zeigen.
Am Vierwaldstätter See traf Lengemann mit Blomstedt zusammen und dort entstanden zahlreiche Bilder, die mit Fotos aus dem eigenen Archiv des Dirigenten kombiniert werden. Zudem führte Lengemann ein langes Gespräch mit Blomstedt, in dem dieser über sein Schaffen und sein Leben berichtet. Er erzählt, wie er sich manchmal weigerte, ins Bett zu gehen, bevor seine Mutter nicht etwas auf dem Klavier spielte, und wie sein streng religiöser Vater enttäuscht reagierte, als der Sohn nicht Prediger wurde sondern sich der Musik zuwandte. Die Religion nimmt in Blomstedts Leben einen großen Raum ein und so manches Orchester stieß er vor den Kopf, wenn er, der bekennende Adventist, sich weigerte, am Samstag Proben anzusetzen.
Die Zeit in der DDR, als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden, war für Blomberg besonders wichtig: „Der Fakt, dass so vieles so knapp war und dass das Schöne unter manchmal schweren Bedingungen zustande kam, macht einen dankbarer dafür.“ Nach zehn Jahren in den USA kehrt Blomstedt Ende der Neunziger Jahre nach Deutschland zurück, um die Leitung des Gewandhausorchesters Leipzig zu übernehmen, das er zu einem der führenden Orchester im deutschsprachigen Raum macht.
Heute sieht er sich als „glücklicher Gast bei alten und neuen Freunden in der ganzen Welt“. Sein Repertoire sei enger geworden, meint er, „ich konzentriere mich auf das für mich Wesentliche“. Das ist sein Eintreten für Musik von Brahms oder Bruckner, Musik, die nicht mehr überall verstanden werde: „Sie wird als schwermütig oder gar langweilig gesehen. Die Jungen wollen mehr ,Action‘, ,Raketen‘ und lieber einen ,Faustschlag ins Gesicht‘ als tiefgehende Selbstprüfung. Aber ich spüre auch eine wachsende Sehnsucht nach bleibenden Werten, nach Substanz, Inhalt, Einfachheit, Transparenz und Harmonie.“ Und so lautet Blomstedts Appell denn auch: „Die Botschaft der alten großen B’s: Bach, Beethoven, Brahms und Bruckner, darf nicht verstummen.“
Im letzten Teil des Büchleins schließlich lässt Lengemann Kollegen und Weggefährten Blomstedts zu Wort kommen, etwa den Komponisten Sven-David Sandström oder den ehemaligen Exekutivdirektor des San Francisco Symphony Orchestra, Peter Pastreich, der wohl die innigsten Worte für seinen alten Freund findet: „Ich erfreue mich noch immer guter Mahlzeiten in eleganten Restaurants, aber ich würde tausendmal lieber Hafergrütze mit Herbert Blomstedt essen als Kaviar mit jedem anderen Dirigenten.“
Irene Binal