Salonen, Esa-Pekka

Helix/Piano Concerto/Dichotomie

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Deutsche Grammophon 00289 477 8103
erschienen in: das Orchester 06/2009 , Seite 70

Noch rechtzeitig kurz vor der deutschen Uraufführung des Klavierkonzerts von Esa-Pekka Salonen im Dezember 2008 erschien bei der Deutschen Grammophon eine CD mit drei seiner Werke, welche er mit der Los Angeles Philarmonic und Yefim Bronfman am Klavier dirigierte: besagtes Konzert, ein Live-Mitschnitt von Helix für Orchester von 2005 und Dichotomie für Klavier aus dem Jahr 2000.
Die erste, knapp neunminütige Komposition Helix weckt relativ rasch Assoziationen zu Komponisten wie Alexander Mossolow oder Arthur Honegger, also zur Musik des frühen 20. Jahrhunderts, in welcher der faszinierende Gedanke des Maschinenhaften, aber auch die unentrinnbar-beklemmende, gar bedrohliche Ausweglosigkeit des ewig sich Wiederholenden, hier dargestellt in einer sich windenden Spirale, treffend mit mächtigen und vielschichtigen Orchesterklängen den Hörer in den Bann zieht.
Salonen verwendet hier wie im darauf folgenden dreisätzigen Klavierkonzert, das er Bronfman widmete, traditionelle Stilmittel. Diese werden durchzogen von moderneren Einflüssen wie minimalistische Passagen und verfremdete Folklorismen, gepaart mit exzessiven Rhythmen sowie einem exponierten Klangverständnis von immerhin etwa einem Jahrhundert dauernder Musikgeschichte seit dem Schlüsselwerk Le Sacre von Igor Strawinsky, vielfältig und komplex angewendet, ohne es aber übertreffen zu können. Teilweise scheint das Konzert sogar im eigenen Klangbrei zu ertrinken.
Den Entwicklungsgang dieser Art von Musik, die zeitweise von Seiten der seriellen und experimentellen Musik mit hämischer Ignoranz und abfälligem Hochmut angesehen wurde, jedoch von Komponisten wie Béla Bartók, insbesondere den Russen wie Alexander Skrjabin, Mossolow, Aram Chatschaturian, Nikolaj Mjaskowskij sowie Sergej Prokofjew, aber auch Maurice Ravel, Benjamin Britten, Jean Sibelius und Carl Nielsen hochgehalten und durch das 20. Jahrhundert gelenkt wurde, versucht Salonen ein kleines Stück weiterzuführen. Der 1958 in Helsinki geborene Komponist geht – wie Bartók es einmal forderte – zurück zu den Wurzeln der Musik und lässt diese, wie auch Elemente der Filmmusik, eklektisch in seine Kompositionen mit einfließen. Die in Orchestern selten verwendeten, teilweise solistisch eingesetzten Instrumente Kontrabassklarinette und Saxofon und die subtil zum Einsatz gebrachten Blasinstrumente wirken überaus farbschillernd, wie auch das Klavier sich in dem Stilkonglomerat des Werks zeitweise als Tönung zu verlieren scheint.
Ebenso setzt das zweisätzige Solowerk “Dichotomie”, das nach dem 33-minütigen Konzert anfangs wie eine ausladende Zugabe klingt, mit seinen vielsagenden Titeln „Mécanisme“ und „Organisme“ Wert auf Strukturelles, schneidende Intellektualität sowie intensive Komplexität und lässt lyrische Komponenten von vornherein nicht zu.
Werner Bodendorff