Michael Heinemann

Heinrich Schütz

Neue Musik im Dresden des 17. Jahrhunderts

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Dohr, Köln
erschienen in: das Orchester 03/2024 , Seite 63

2022 gedachte die Musikwelt des 350. Todestags von Heinrich Schütz. Der barocke Komponist ist im Grunde längst in seiner Bedeutung anerkannt, sein Schaffen wird sicher nicht mehr als „rudimentäre Vorform von Bach“ (Adorno) gedeutet. In der kirchenmusikalischen Praxis hat Schütz ohnehin einen festen Platz – und im Zuge der blühenden Alte-Musik-Szene gibt es auch mehr denn je künstlerisch erstklassige Wiedergaben seiner Werke.
Schon Ende der 1950er Jahre verfasste der in Dresden geborene Musikwissenschaftler Hans Heinrich Eggebrecht ein Buch über Schütz, Musicus Poeticus, das wesentliche Züge der wortausdeutenden Kompositionskunst des Barockmeisters auf den Punkt brachte. Zum 400. Geburtstag im Schütz-Jahr 1985 erschien dann eine Biografie zu Schütz von Martin Gregor-Dellin, die sich an ein breites Publikum wandte und gewiss vielen nichtmusikologischen Leserinnen und Lesern Schütz und seine Zeit nahegebracht hat.
Das nun vorliegende Buch von Michael Heinemann, Professor für Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden, wendet sich dagegen eher an ein Fachpublikum. Jedenfalls ist die extrem elaborierte Sprache des fremdwörterlastigen Textes nicht geeignet, über ein akademisches Publikum hinaus Schütz-Freundinnen und -Freunde mit den Thesen des Autors bekannt zu machen. Das ist schade, denn erstens ist Heinemann ein ausgewiesener Schütz-Kenner, der mit einer Fülle von biografischem und musikalischem Wissen aufwarten kann. Zweitens ist der Ansatz, das Besondere und das besonders Neue an Schütz’ Musik herauszuarbeiten, eine spannende Sache. Denn zu untermauern, dass Schütz in vielerlei Hinsicht fortschrittlicher komponierte als seine Kollegen, belegt ja besser als alles andere, dass seine Musik ihren herausragenden eigenen Wert hat und nicht zum Vorläufer seines spätbarocken Kollegen aus Eisenach relativiert werden kann. Selbstverständlich hat das in 18 sinnfällig überschriebenen Kapiteln gegliederte und Lebenslauf und Werkbeschreibungen geschickt verschränkende Buch seinen Wert, allein durch die vielen Detailbeschreibungen, die ohne Frage einen sehr genauen Blick in die Kompositionsweise und Ästhetik des Meisters werfen.
Interessant sind aber auch die Reflexionen des Autors bei nicht vorhandener Musik, vor allem zur Oper Dafne auf den Text von Martin Opitz. Hier liest sich der Text plötzlich spannend wie ein Krimi. Wer mehr über Schütz erfahren und seine Kunst besser verstehen will, findet in dem Buch also viel Material und Anregungen.
Karl Georg Berg