Turkovic, Milan
Hast du Töne!
Ein musikalisches Tagebuch
Von dem namhaften Fagottisten Milan Turkovic ist ein weiteres Buch erschienen, welches das Musikleben im Allgemeinen, aber auch seine Erfahrungen und Erlebnisse in über vierzig Berufsjahren im Besonderen darstellt. Der Titel Hast du Töne! verspricht ein interessantes Lesevergnügen und ergänzt in sinnvoller Weise das 1998 erschienene Buch senza sordino. Was Musiker tagsüber tun.
Bedauerlicherweise wurde versäumt, dem Leser genauere Informationen über Person und Werdegang des Autors zu vermitteln. Milan Turkovic wurde 1939 in Zagreb geboren, entstammt einer österreichisch kroatischen Familie und wuchs in Wien auf. Er studierte in Wien und Detmold, war Mitglied der Philharmonia Hungarica und der Bamberger Symphoniker, wurde 1967 Solofagottist der Wiener Symphoniker und spielt seit vielen Jahren unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt im Concentus Musicus Wien. Nach seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule Mozarteum erhielt er 1992 einen Ruf als Professor an die Universität für Musik in Wien. Dort war er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2003 tätig. Seither intensivierte er seine Dirigiertätigkeit und hat sich dabei auf die Leitung von Kammerorchestern und großen Bläserensembles spezialisiert.
In seinem neuen Buch berichtet Turkovic in unterhaltsamer und informativer Weise über die
langjährigen Erfahrungen seiner künstlerischen Tätigkeit. In meinem wunderbaren Beruf erlebe ich immer wieder die Vielfalt und den Reichtum der Musik sowie des Umfelds, in dem sie entsteht. Im Vorwort sorgt er sich darüber, dass durch die Form des Rückblicks der Eindruck entstehen könnte, er sei schon am Ende seiner beruflichen Laufbahn angelangt. Aufgrund seiner umfassenden künstlerischen Aktivitäten ist diese Sorge sicher nicht begründet. Turkovic schreibt: Meine Zielgruppe sind Menschen, die Musik lieben. [
] Ich hoffe, dass mit diesem Buch vermittelt werden kann, welch wundervoll verrückte und aufregende Sphäre einen Musiker umgibt. Ebenso hoffe ich, dass man zwischen und in den Zeilen die Dankbarkeit und den Enthusiasmus meinem Beruf gegenüber spürt. Diese Absicht ist über die gesamte Länge des Buchs hinweg nachzuvollziehen.
Turkovi´c stellt den Begriff concertare (etwas miteinander in Übereinstimmung bringen, etwas miteinander bewirken, zusammenwirken) in den Mittelpunkt kritischer Gedanken. Er kontrastiert das bedingungslose Miteinander in der Kammermusik und das musikalische Einordnen in das Orchesterkollektiv mit dem heutigen gesellschaftlichen Zusammenleben, der erbarmungslosen Ich-Bezogenheit unserer Selbstverwirklichungsgesellschaft. Er beklagt die Vermarktung der Oper in Verbindung mit Golf als gesellschaftliches Event, die unbestrittene Überalterung des Publikums, die weltweite Konzertsaalflucht und die angebliche Mitschuld überkommener Kleidungsrituale. Friedrich Gulda wird als leuchtendes Beispiel angeführt, wie man völlig leger im Konzert auch jugendliche Hörer ansprechen kann. Der Autor schreibt über den Sinn von Meisterkursen, über Ausbildungskriterien der Musikhochschulen, Probespiele und Berufserfolge der Studierenden, über elitäre E- und volkstümliche U-Musik, ferner in unterhaltsamer und heiterer Form über seine Erlebnisse und Begegnungen: informativ über den Alltag eines Musikers, kritisch über Stars, Allüren und Mimosen.
Turkovic eröffnet nicht nur dem Experten, sondern auch dem Liebhaber in einem weiten Radius die Wunderwelt der Musik. Eine empfehlenswerte Lektüre und auch ein ideales Geschenkbuch für eine musikinteressierte Leserschaft.
Alfred Rinderspacher