Mahlert, Ulrich (Hg.)
Handbuch Üben
Grundlagen Konzepte Methoden
Üben, ob als verordnete und mühsame, oft ungeliebte Pflicht oder als selbstbestimmtes, lustvoll handelndes Sich-Vertiefen, nimmt für alle Musizierenden den weitaus größten Teil ihrer musikalischen Tätigkeit ein. Obwohl in diesem Sinn Dauerthema aller musikalisch aktiven Laien und Profis und weit erörtertes Thema instrumentaldidaktischer Einzeldarstellungen, fehlte bisher eine Zusammenschau der unterschiedlichen Ansätze. Diese Lücke schließt die vorliegende von Ulrich Mahlert herausgegebene Publikation. In 18 Einzelaufsätzen nähern sich die Autorinnen und Autoren, denen die eigene musikpraktische Tätigkeit gemeinsam ist, dem Üben durch unterschiedliche Ansätze und Konzepte, die neben musikalischen auch philosophische, physiologische, lerntheoretische, psychologische und pädagogische Sichtweisen berücksichtigen.
Einführend erweitert Mahlert neben einer theoretischen Begriffsbestimmung das Blickfeld der Didaktik des Übens um die Bedeutung individueller Lernwege. Aus neurophysiologischen Grundlagen des musikalischen Übens leitet Eckart Altenmüller praktische Hinweise für förderliches Üben ab, die Horst Hildebrandt aus physiologischer Sicht bestätigt und erweitert. Den Grundriss einer Didaktik des Übens entwirft Anselm Ernst, um alle Facetten des Übens zum bewussten Bestandteil des Lehr-Lern-Prozesses zu machen. Die eigentlich selbstverständliche, dennoch aber oft ausgeblendete enge Beziehung zwischen technischem Üben und musizierendem Gestalten thematisiert Christoph Richter.
Besonderen Aspekten und speziellen Techniken widmen sich Aufsätze über mimetisches Üben (Renate Wieland), Üben im Ensemble (Wolfgang Rüdiger), Improvisieren (Herbert Wiedemann), motorische Automatisierungsprozesse (Marion Saxer), Üben im Flow (Andreas Burzik), mentales Üben (Christian A. Pohl) und Üben in der Lerntheorie von Edwin E. Gordon (Almut Süberkrüb). Ergänzt wird dieser Bereich durch einen Beitrag von Michael Dartsch zu Möglichkeiten des Übens im Vor- und Grundschulalter, der statt einer Defizitorientierung die Charakteristika des Kindesalters im Hinblick auf das Üben in den Mittelpunkt stellt. Ein Gespräch über Übungen zur Förderung körperlicher und mentaler Bewusstheit steht am Ende der Publikation. Zuvor runden eher übergeordnete Aufsätze über Üben und Interaktion zwischen Spieler und Hörer (Wolfgang Lessing), die Beziehungen von Üben und Sprechen (Gerhard Mantel), die Funktion des Intuitiven (Volker Biesenbender) und über den Umgang mit Fehlern (Peter Röbke) die Zusammenschau des Übens ab.
In ihrer Unterschiedlichkeit ergänzen sich die Beiträge, durch Überschneidungen und Querverweise zeichnet sich aber auch eine Grundlage ab, auf der sich möglicherweise ein zukünftiges Gesamtkonzept entwickeln kann. Schade nur, dass ein Stichwortverzeichnis fehlt.
Gerade die Vielfalt der Einzelansätze bietet allen Leserinnen und Lesern angesprochen werden Berufsmusiker, Amateure, Schüler, Eltern, Studierende und Lehrende die Chance, Anregungen und eigene Ansatzpunkte zu finden. In diesem Sinne kann die Publikation den eingangs formulierten Anspruch einlösen, nämlich dazu anzuleiten, persönliche Zugänge zum Üben zu finden und eine eigene Übekultur zu entwickeln (S. 8), mithin persönlichkeitsbildendes Üben zu fördern.
Katharina Schilling-Sandvoß