Kloss, Berthold/Annette Otterstedt/Monika Burzik u. a.

Handbuch der Musikinstrumentenkunde

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bosse, Kassel 2004
erschienen in: das Orchester 11/2004 , Seite 80

Nach dem Reallexikon der Musikinstrumente von Curt Sachs (Berlin 1913) wurde wohl das 1954 erstmals herausgegebene Handbuch der Musikinstrumente von Erich Valentin zum Standardnachschlagewerk der Instrumentenkunde. Genau 50 Jahre nach seiner Erstauflage liegt es nun in einer grundlegenden Neufassung vor. Aus dem kleinen Büchlein mit seinen holzschnittartigen Illustrationen ist ein ausgewachsener Band geworden, der auch in Optik und Layout wesentlich mehr als ein übliches Updating ist.
Elf Autoren legen zwölf Einzelartikel über die Musikinstrumente, einschließlich derjenigen in außereuropäischen Kulturen sowie über die Grundlagen der Akustik vor. Bei einem so gemischten Autorenteam liegt es in der Natur der Sache, dass nicht etwa standardisierte Kapitel, sondern individuell recht verschieden aufgemachte Beiträge erscheinen. Die inhaltlichen Nuancen beginnen schon bei der Einteilung der Instrumente nach ihren Gattungen. Während Akustik-Spezialist Berthold Kloss (Kassel) die Familien auf Saiten-, Blas-, Schlag und Elektronikinstrumente beschränkt, folgen zehn Kapitel mit entsprechend aufgesplitterter Einteilung. Die akustischen Klavierinstrumente (Christoph Heimbucher, Köln) fungieren also nicht unter den Saiteninstrumenten, und zu den Blasinstrumenten gehören nicht die Orgel (Alfred Reichling), das Harmonium (Christian Ahrens, Bochum) und nicht die Harmonika (Maria Dunkel, München). Einige Autoren legen die Schwerpunkte auf ausführliche historische Entwicklungen, so ist z. B. im umfangreichsten Beitrag (Streichinstrumente von Annette Otterstedt, Berlin) die Erfindung des Bogens bis zurück zu Odysseus verfolgt, andere Verfasser legen Wert auf die diversen nationalen Schulen. Etwas irritierend die Einteilung in „Blasinstrumente“ und „Blechblasinstrumente“. Unter ersteren findet man die Holzblasinstrumente (Erich Tremmel, Augsburg), letztere firmieren korrekt und sind der zweite Beitrag von Christian Ahrens.
Die verwendete Literatur schwankt zwischen fünf Quellen (merkwürdigerweise incl. MGG und dtv-Atlas zur Musik, fürwahr nun keine Primärliteratur) und mehreren Seiten, wobei betont wird, ältere Quellen enthielten viele Irrtümer, seien daher nicht mehr berücksichtigt. Dann sollte man aber auch hartnäckige Missverständnisse nicht einfach wiederholen: So ist z.B. das Fagott eben nicht als Bassinstrument zur Oboe, sondern rund hundert Jahre vor derselben erfunden worden! Persönlicher Werdegang und Spezialgebiet mancher Autoren schimmern gelegentlich angenehm durch: Monika Burzik (Lüneburg) mit dem Beitrag zu Zupfinstrumenten ist eben auch Verfasserin des Artikels „Gitarre“ in der MGG und Martin Supper (Elektroakustische Klangerzeugung) Komponist für Computermusik – wie überhaupt die meisten Autoren bereits instrumentenkundliche Bücher vorgelegt haben. Der Artikel von Gisa Jähnichen (Frankfurt) über Musikinstrumente in außereuropäischen Kulturen spiegelt allerdings überproportional die Beschäftigung mit Laos und Vietnam wieder. Etliche nicht ganz unbekannte Instrumente aus anderen Weltgegenden habe ich vermisst.
In jeder Hinsicht am positivsten fällt der Artikel über die Schlaginstrumente von Birgit Heise (Leipzig) ins Auge: Viersprachige Bezeichnungen, Erklärung der Partitursymbole, Orchesterbeispiele und moderne Fotos machen dieses Kapitel zu einem erfreulich lebendigen Nachschlagewerk für alle, die schon immer wissen wollten, was eigentlich Timbales sind.
Stephan Weidauer