Jacobshagen, Arnold/Mücke, Panja (Hg.)

Händels Opern

Das Handbuch, 2 Teilbände (Das Werk wird nur geschlossen abgegeben)

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Laaber, Laaber 2009
erschienen in: das Orchester 03/2010 , Seite 60

Jubiläen bringen Literatur hervor: Ein neues Händel-Handbuch erschien zum 250. Todestag des Komponisten. Insgesamt auf sechs Bände angelegt, ersetzt es das 1978 erschienene erste Händel-Handbuch, wesentlich umfangreicher und natürlich auf neuestem wissenschaftlichen Stand. Fast tausend Seiten, aufgeteilt auf zwei Bände, sind dem Händel’schen Opernschaffen gewidmet: Der erste behandelt mit analytischer Gründlichkeit das Umfeld, der zweite alle 42 Opern, dazu Pasticci, Bearbeitungen, Fragmente. Vierzig Wissenschaftler aus sechs Ländern haben in der unvorstellbar kurzen Zeit von kaum zwei Jahren dieses umfangreiche Kompendium realisiert, wobei gewisse Redundanzen nicht ausbleiben.
Nun sind Handbücher keine Lesebücher, sondern eher Nachschlagewerke. Dennoch lässt sich vieles mit Interesse, ja sogar mit Genuss lesen. Dabei ist der Stil sehr unterschiedlich: Manche Artikel sind für den Laien leicht verständlich, andere eher für den Fachmann. In vier großen Blöcken – Schauplätze, Kontexte, Strukturen, Rezeption und Interpretation – wurde zusammengetragen, was nur an Quellen aufzufinden war. Dabei kann man eintauchen in das soziale, politische und musikalische Leben Londons im 18. Jahrhundert und manch englische Eigenart entdecken. Man kann Händel nicht genug bewundern, wie er sich in einem ihm zunächst doch sehr fremden Umfeld derart durchsetzte, dass die Engländer ihn bis heute als einen der ihren betrachten. Händel war 25 Jahre alt, als er 1710 erstmals in London eintraf. Er hatte Glück: Der Betreiber eines der beiden kommerziellen Theater gab ihm sogleich eine Auftrag: Rinaldo, die erste für London komponierte italienische Oper überhaupt. Sie wurde ein solcher Erfolg, dass Händel das Werk umgearbeitet 1731 erneut auf die Bühne brachte.
Nun war Händel nicht nur Komponist, sondern Impresario, Veranstalter, Unternehmer und klug agierender Politiker, der in seinen Opern oft Tagesereignisse aufgriff, gekleidet in historische oder, seltener, mythologische Sujets. Ein Teil seines Erfolgs beruhte darauf, dass er seine eigenen Sänger engagieren konnte und nicht, wie in Italien üblich, feste Ensembles vorfand, wobei man in London durchaus vom Ruhm kontinentaler Sänger erfuhr. So sollte Händel, als er in die alte Heimat reiste, nicht zurückkommen, ohne einen der berühmtesten Kastraten der Zeit, Senesino, mitzubringen, was ihm natürlich auch gelang – die englischen Gagen waren lukrativ. Senesino übernahm eine ganze Reihe von eigens auf seine “geläufige Gurgel” (Mozart) komponierten Partien. Aber auch Sängerinnen, die – wie Faustina Bordoni – häufig in Männerrollen auftraten, waren Lieblinge des Londoner Publikums. Und darauf musste Händel als Unternehmer, der oft genug am Rande der Pleite stand, Wert legen.
Viele von Händels Instrumentalstücken blieben stets im Repertoire, Händels Opern haben dies erst heute geschafft. Und während man bei der Händel-Renaissance in den 1920er Jahren nicht wusste, wie die Kastraten-Partien zu besetzen sind, gibt es heute dafür eine ganze Reihe vorzüglicher Countertenöre. Und sogar die Sopranistin Cecilia Bartoli hat sich jüngst des Kastraten-Repertoires angenommen. Allen an Händels Opern Interessierten sei der Doppel-Band empfohlen.
Ursula Klein