Marx, Hans Joachim

Händel und seine Zeitgenossen

Eine biographische Enzyklopädie, Teilbände I und II

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Laaber, Laaber 2008
erschienen in: das Orchester 05/2009 , Seite 64

Überzeugender hätte der Laaber-Verlag sein auf sechs Bände ausgelegtes Händel-Handbuch kaum beginnen können: Der ausgewiesene Händel-Forscher Hans Joachim Marx nennt die von ihm verantworteten beiden Teilbände Händel und seine Zeitgenossen eine „biographische Enzyklopädie“. Hier werden, alphabetisch aufgelistet, alle Personen vorgestellt, die mit Händel (nicht nur) in künstlerischer Beziehung standen und in weitestem Sinn für sein Werk von Bedeutung waren. Es sollen vier weitere Bände, die alle Aspekte des Schaffens beleuchten, sowie ein Händel-Lexikon folgen. Marx war von 1973 bis 2001 Professor an der Universität Hamburg. Von 1968 bis 1997 leitete er die Symposien der Karlsruher Händel-Akademie, deren Veröffentlichungen er herausgab. Bis 2004 war er im Vorstand der Göttinger Händel-Gesellschaft für das Programm der Internationalen Händel-Festspiele zuständig.
In seiner knappen, aber äußerst kenntnisreichen Einführung skizziert Marx Händels Beziehungen in seinen Londoner Jahren und gibt, soweit möglich, ein plastisches Bild der Persönlichkeit des Musikers. Denn wie der Autor ausführt, ist über die Persönlichkeit des bedeutenden Komponisten und Impresarios trotz der vielen berühmten Anekdoten erstaunlich wenig Greifbares verifizierbar, auch wenn beispielsweise seine mit teilweise recht bissigem Humor unterfütterte Probenarbeit gut dokumentiert ist.
Was Spekulationen weiten Raum gibt, die sich in jüngerer Zeit besonders gern mit Händels Ehelosigkeit, für seine Zeit sehr ungewöhnlich, befassen. Der auf sehr schwachen Grundlagen basierenden These einer möglichen Homosexualität Händels erteilt Marx auf jeden Fall eine klare, durchaus nachvollziehbare Absage. Deutlich zeigt der Händel-Forscher hingegen auf, welche Bedeutung seine lutherisch geprägte Erziehung in seinem Verhältnis zur Familie, zu den wenigen bekannten Freunden, aber auch zu seiner künstlerischen Arbeit hatte.
Trotz aller Akribie ist die gewichtige biografische Enzyklopädie mit 682 Artikeln sehr lesbar geraten. Hier finden sich Förderer, Gönner, Auftraggeber, aber auch erbitterte Feinde des großen Musikers, von denen er in seinem langen Wirken besonders in London viele hatte. Kopisten, Diener, Librettisten, Orchestermusiker, Sänger und Sängerinnen, darunter natürlich auch die vielen Kastraten werden detailreich vorgestellt, mit denen Händel oft genug ein spannungsvolles Verhältnis hatte.
Die Fülle der genau recherchierten Informationen ist verblüffend und anregend zugleich. Die vielen Querverweise regen zum Weiterlesen an. Auch wenn sich gelegentlich der Eindruck aufdrängt, die Fülle der Informationen könnte den Leser überfordern, ist der Wert der Arbeit nicht hoch genug einzuschätzen. Neben der Vielfalt und den Hintergründen, die hier aufgefächert werden, sind es auch die 217 Abbildungen der beiden Bände, die den Reiz des gewichtigen Unternehmens ausmachen. Hans Joachim Marx hat mit Händel und seine Zeitgenossen ein Werk vorgelegt, das für die kommenden Jahrzehnte bei der Beschäftigung mit dem Komponisten unentbehrlich bleiben wird.
Walter Schneckenburger