Leopold, Silke (Hg.)

Guten Morgen, liebes Weibchen!

Mozarts Briefe an Constanze

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2005
erschienen in: das Orchester 09/2005 , Seite 80

„Diesen Augenblick kommen wir an – das ist um 1 Uhr Mittag. – wir haben also nur 6 Tage gebraucht“ – von Wien nach Frankfurt am Main. Zusammen mit seinem Schwager, dem Geiger Franz Hofer, reist Mozart im September 1790 auf eigene Kosten in diese Stadt, wo Leopold II. Anfang Oktober zum Kaiser gekrönt wird. Er erhofft sich eine Verbesserung der monetären Lage, denn er hat Schulden. Doch der Geldsegen bleibt aus: „heut 11 Uhr war meine Academie, welche von Seiten der Ehre herrlich, aber in Betreff des Geldes mager ausgefallen ist“, schreibt er an sein „Liebstes Herzens-Weibchen“ am 15. Oktober und vermutet, dass von seinen vier geschriebenen Briefen bisher keiner in Wien angekommen ist – „o Gott! liebe mich nur halb so wie ich dich liebe, dann bin ich zufrieden. Ewig Dein Mozart.“
Wir kennen nur seine Briefe. Die Antworten, die er ungeduldig erwartete, sind verloren gegangen. Kein einziger Brief Constanze Mozarts ist erhalten. Daraus auf deren Inhaltsleere zu schließen, wie es vielfach geschehen ist, ja Rückschlüsse auf die Persönlichkeit Constanzes zu ziehen, ist eine Unterstellung, die „bestürzende Banalität“, die ihr Wolfgang Hildesheimer attestierte, kaum gerechtfertigt.
„Absurde Vorwürfe“ sieht Silke Leopold, Heidelberger Lehrstuhlinhaberin für Musikwissenschaft, in vielen solcher Verurteilungen von Mozarts Gattin, die nicht selten als nachlässige, verschwenderische, unehrliche und raffgierige Witwe geschildert wird.
Der Frau, die Mozart „mein anderes ich“ nannte, scheint in der Mozart-Forschung, vor allem ihrer populären Variante, eine Art Mülleimerfunktion zugedacht zu sein, mit der alles, was in Mozarts Leben nicht nach Plan lief, versenkt wird. Und das ist eine ganze Menge. Genies sind, bekanntermaßen, im richtigen Leben oft schwierige Menschen. Wer die Möglichkeit hätte, Mozart mit Hilfe einer Zeitmaschine persönlich zu begegnen, wäre wahrscheinlich ziemlich verwundert, und erstaunte Mozart-Zeitgenossen gibt es ja tatsächlich nicht wenige, auch solche von einigem Verstand. Wer speziell mit diesem „vielleicht größten Genie der Menschheitsgeschichte“ (Hildesheimer) zusammenlebte, musste einiges ertragen können.
Constanze Mozart hatte es nicht leicht. Die an sie gerichteten Briefe, die Leopold nun in einer gut kommentierten Auswahl zum
bevorstehenden Mozart-Jahr herausgegeben hat, geben durchaus ein Bild davon, auch wenn sie „nur unvollkommene Zeugnisse des Zusammenlebens“ sind: Einiges ging verloren, die Antworten sind, wie gesagt, nicht erhalten, und spätere Schwärzungen konnten auch mit modernen „Röntgenmethoden“ nicht immer erfolgreich durchleuchtet werden. Sicher hat auch Constanze Mozart selbst zusammen mit dem ersten Mozart-Biografen Georg Nikolaus Nissen vor allem ein
edles Bild ihres Mannes zeichnen wollen, das, wie man heute weiß, der Wirklichkeit oft fern lag – eine Tat, die man ihr kaum verziehen hat, wenngleich sie sie selbst am meisten schädigte.
Dennoch: Mozarts Briefe an sie sind Beleg genug für seine innige Liebe, auch wenn er selbst zu ihr nicht immer ehrlich war. Das liebe Geld, um das es oft ging und das er selbst mit vollen Händen ausgab, wenn er welches hatte, war immer wieder Anlass zu Streitigkeiten. Und als er etwa von Frankfurt aus nach Mainz weiterfuhr (Oktober 1790) und vom dortigen Kurfürsten für ein Konzert ganze 165 Gulden kassierte, schrieb er nichts davon an sein „Herzens-Weibchen“: Und das war eine ganze Menge Kohle, die er da am „Haushaltsgeld“ vorbeischleuste, bedenkt man, dass etwa sein Dienstmädchen in Wien um diese Zeit neben Kost und Logis nur einen ganzen Gulden Taschengeld erhielt…
Matthias Roth

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