Floros, Constantin

Gustav Mahler

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: C. H. Beck, München 2010
erschienen in: das Orchester 07-08/2010 , Seite 60

Das Bemühen des Beck-Verlags, für seine „Wissen“-Reihe renommierte Fachautoren zu verpflichten, die sich seit vielen Jahren mit dem Gegenstand ihrer Erörterungen wissenschaftlich auseinandersetzen, hat sich auch im Fall von Constantin Floros’ Mahler-Band bewährt. Dem Konzept der Veröffentlichungsreihe folgend, präsentiert der Mahler-Forscher Leben und Werk des Dirigenten und Komponisten kompakt und zugleich detailreich, soweit dies bei dem vorgegebenen knappen Umfang möglich ist. Zu Mahlers 150. Geburtstag am 7. Juli liegt nun eine sehr übersichtliche Biografie und Werkdeutung vor, bei der die schnelle und zuverlässige Information im Vordergrund steht, viele Themen infolge der Konzeption nur angerissen, nicht weiter ausgeführt werden können.
Beim knappen biografischen Überblick über Jugend und Kindheit betont Floros zu Recht die frühe Erfahrung des Todes von Geschwistern, die deutliche Spuren im Denken, aber letztlich auch im Werk des Komponisten hinterlassen hat. Die Auseinandersetzung mit dem Tod und die Vorstellung eines Lebens nach dem Ende der physischen Existenz haben tiefe Spuren im Schaffen hinterlassen. Nicht umsonst wurde Mahler schon früh in Bezug auf seine Sinfonien als „Gottsucher“ oder „Mystiker“ bezeichnet. Hingegen erfährt man kaum etwas über den jüdischen Hintergrund des späteren Konvertiten Mahler, der inzwischen ob der Bedeutung für sein sinfonisches Schaffen verstärkt diskutiert wird.
Die kometenhafte Karriere Mahlers wird skizziert, die ihn über Stationen in der tiefsten Provinz dank seiner großen Begabung, aber auch seines immensen Fleißes, des unbeugsamen Willens und seines teilweise diktatorischen Durchsetzungsvermögens bis an die Spitze der Wiener Hofoper – und dies in einem dezidiert antisemitischen Klima – und zu lukrativen Engagements in New York führte. Ausgespart werden nicht die persönlichen Schicksalsschläge wie der Tod der ältesten Tochter 1907 oder die Diagnose seines schweren Herzleidens sowie die problematische Ehe mit Alma Mahler. Es gelingt Floros, auf knappem Raum die unterschiedlichen Aspekte des Charakters von Mahler zu beleuchten, der als „Despot“ verschrieen war, und ebenso knapp einen Überblick zu geben über die stark von der Philosophie des 19. Jahrhunderts geprägte Geisteswelt Mahlers, die in dessen sinfonischem Schaffen ihren Niederschlag fand. Die Einführung in die komplexen neun vollendeten Sinfonien muss indes oberflächlich bleiben, auch wenn der Autor die Bedeutung von offensichtlichen und verborgenen Programmen für alle Sinfonien herausarbeitet.
Die Rezeptionsgeschichte Gustav Mahlers, die infolge des Mahler-Booms auf Schallplatte und CD ab den 1960er Jahren verstärkt ins Licht der Öffentlichkeit rückte, erfährt eine eher stichwortartige Betrachtung. Es scheint, dass Floros Mahlers Werk eher als Abschluss der romantischen Musik des 19. Jahrhunderts wahrnimmt und nicht als in die Zukunft weisend. Trotz der aufgeführten Beispiele der Beeinflussung von bedeutenden Komponisten des 20. Jahrhunderts (Schönberg-Schule, Schostakowitsch) wird eher der Eindruck vermittelt, dass Mahler am Ende einer Epoche gestanden habe.
Walter Schneckenburger