Schönberg, Arnold
Gurre-Lieder
reduzierte Orchesterfassung von E. Stein, 2 CDs
Mit der Gründung des Vereins für musikalische Privataufführungen schuf Schönberg gleich nach Ende des Ersten Weltkriegs ein Medium, um zeitgenössische Kompositionen unterschiedlicher Stilrichtungen in Wien, später in Prag, zu präsentieren. Aus finanziellen Gründen war es oft nötig, Partituren auf kleinere Besetzungen zu reduzieren, im Extremfall sogar für Klavier allein: Im ersten Konzert am 29. Dezember 1918 z.B. spielten Steuermann und Bachrich Mahlers Symphonie Nr. 7 in einer vierhändigen Fassung von Casella.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass der selbstkritische Schönberg gute Bearbeitungen eigener Werke akzeptierte, da sie zusätzliche Aufführungsmöglichkeiten schufen. In seinem frühen Meisterwerk Gurre-Lieder (1900-1903, 1910-1911) bildet schon die opulente Besetzung des Orchesters ein Problem. Sein österreichischer Kompositionsstudent seit 1906, Erwin Stein (1885-1958), konnte sich bis zu seiner Flucht nach England 1938 intensiv für Werke des Schönberg-Kreises einsetzen, nicht zuletzt durch seine Tätigkeit bei der Universal Edition. Von 1922 bis 1923 bearbeitete er die Gurre-Lieder, indem er vor allem die riesige Bläserbesetzung dezimierte und das Ensemble auf ein normal großes Orchester reduzierte, wobei er die Chorsätze in Abstimmung mit dem Komponisten vereinfachte.
Die Textvorlage basiert auf einem Gedichtzyklus von Jens Peter Jacobsen (1847-1885) über eine legendendäre mittelalterliche Liebestragödie, die hier König Valdemar IV. Atterdag zugeschrieben wird, der 1375 auf dem Schloss Gurre beim heutigen Helsingör verstarb. Die dänische Vorlage wurde von Robert Franz Arnold ins Deutsche übertragen.
Das baskische Orchester blickt auf eine lange Geschichte zurück. Es wurde bereits 1922 gegründet und u.a. von Ravel und Penderecki dirigiert, die eigene Werke vorstellten. Zum 90-jährigen Orchester-Bestehen führte der in Graz geborene Dirigent die Gurre-Lieder 2012 in der Version von Stein auf und dokumentierte dies auf zwei CDs. Der vielgefragte Neuhold, der das Orchester seit 2008 leitet, bietet bei dieser Ersteinspielung eine gut durchgehörte, ausgewogene Aufführung, die auch den opernerfahrenen Maestro erkennen lässt. Zudem hat er mit den Sängern Stig Andersen, Anne Schwanewilms, Lilli Paasikivi, Fernando Latorre, Arnold Bezuyen sowie mit Jon Fredric West (Sprecher) und den Chören adäquate Partner gefunden.
Schönberg gehörte wie Mahler, Strauss und Schreker zu den ersten Komponisten, die Emil Hertzka ab 1909 an die Universal Edition berief. Dieses Werk ist der Schlüssel zu meiner ganzen Entwicklung, schrieb ihm Schönberg am 19. August 1912 über die Gurre-Lieder, deren Uraufführung Schreker im folgenden Jahr erfolgreich dirigierte.
Peter Roggenkamp