Große Klassik für kleine Hörer
Eine musikalische Reise für Kinder in zwölf Geschichten von Peter Stangel
Es ist noch nicht so lange her, da meinte man, als man über Hochkultur sprach, untergegangene Kulturen: die der Ägypter, Maya oder Azteken etwa. Die Kinder und Kindeskinder der Generationen, die das vielleicht als letzte so gelernt haben, subsumieren heute noch ganz andere Dinge unter Hochkultur. Vornehmlich alles, was in Konzert- und Opernhäusern erklingt, gehört dazu. Nicht so sehr bemerkenswerterweise , was in Museen hängt und steht und freilich schon gar nicht das, was Madonna oder Lady Gaga produzieren. Das ist schlicht Kultur.
Peter Stangel, Dirigent und Erzähler, Arrangeur und Texter, ist in seiner vierfachen Personalunion Mentor, Haupturheber und -akteur der in der ZEIT-Edition erschienenen CD-Box Große Klassik für kleine Hörer. Bei seinen Konzerten für Kinder, die er gemeinsam mit der von ihm gegründeten und auch für das CD-Projekt verpflichteten taschenphilharmonie vornehmlich in München gibt, hat er Sprache wie Maßstab seines jugendlichen Publikums offenbar ganz verinnerlicht, wenn er im Booklet gleichwohl mit mildernden Anführungszeichen über klassische Musik als Hoch-Kultur spricht. Möglicherweise sind die zwölf CDs deshalb besonders sorgfältig in eine stabile Kartonage einsortiert, die wie eine Schatztruhe längsseitig aufzuklappen ist. Ebenso geschmack- wie liebevoll ist sie von jemandem, der sich hinter dem Namen [ec:ko] communications verbirgt, mit Figuren illustriert. Neben zahlreichen anderen tauchen sie auf den CD-Covern wieder auf, von denen jedes mit einem anderen Bild illustriert ist, das selbstredend Bezug auf die Musik der jeweiligen CD nimmt. Eine von ihnen heißt z.B. Ein ganz besonderer Sonntagabend und enthält Musik von Claude Debussy, eine andere bringt unter dem Titel Als Opa jung war Ausschnitte aus Robert Schumanns Kinderszenen und Album für die Jugend zu Gehör, mit Leo Janác?eks Auf verwachsenem Pfade begibt man sich beim Hören einer weiteren CD Auf Wanderschaft durch Mähren und selbstverständlich darf auch Der Karneval der Tiere mit Musik von Camille Saint-Saëns und Der Zauberlehrling von Paul Dukas nicht fehlen.
Stangels Strickmuster, die Musikstücke in kleine Abschnitte zu zerlegen und sie in eine von ihm ausgedachte Geschichte als musikalische Inseln passend einzubetten, ist zwar für alle CDs identisch, doch schmälert das weder die Überzeugungskraft seiner kreativen Leistung noch die Freude und den Genuss beim Hören dieser zwölf wunderbar gelungenen Symbiosen von Wort und Ton. In farbigen Handlungen werden die Kinder nicht nur an die Musik, sondern darüber hinaus auch an allerlei allgemeines Weltwissen herangeführt. Die mit einem guten Dutzend Musiker besetzte taschenphilharmonie spielt zudem die Werke so frisch und klar, dass ohne Mühe jede Stimme herauszuhören ist und auf diese Weise dem jungen Hörer ganz nebenbei noch die Instrumente des Orchesters präsentiert werden. Auf einer Bonus-CD stellt man sie zugleich noch einmal separat und ausführlich vor. Kinder von vier bis neun Jahren, die mittels dieser CDs womöglich erstmals mit Klassik in Berührung kommen, werden merken, dass diese Musik keineswegs eine längst vergangene Hochkultur ist, sondern Glück und innere Bereicherung bringt.
Ulrich Ruhnke


