Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig (Hg.)/Birgit Heise (Red.)
Goldene Klänge im mystischen Grund
Musikinstrumente für Richard Wagner
Im schier unüberschaubaren Strom der Veröffentlichungen zu Leben und Schaffen Richard Wagners, der im Jubiläumsjahr 2013 nochmals deutlich anschwoll, ragt dieser schmale Band auffällig hervor. Doch nicht neue biografische Fakten und inhaltliche Deutungen sind dafür der Grund, sondern die Art und Weise, in der die Spezifik und die Raffinessen der Wagnerschen Orchesterkunst quasi als Instrumentenkunde und Orchesterführer präsentiert werden: eine Darstellung jener materiellen Grundlagen, denen sich das So-Sein der Klänge verdankt. Schließlich hatte der Komponist die Funktion des Orchesters überdacht, hatte jedem seiner Bühnenwerke das eigene charakteristische Klang-Gewand zugemessen; er griff dafür die technischen Innovationen der besten Instrumentenbauer der Zeit auf oder hat diesen mit Nachdruck seine Fantasien und Ideen zwecks Realisierung übermittelt. Es ist bei mir nicht die Sucht Effekte hervorzubringen, sondern
immer andere Instrumente hinzutreten zu lassen, um mit den anderen abzuwechseln; keine Virtuosenspiele.
Richard Wagner als Neuerer, als Erfinder, als Wegbereiter des modernen Orchesters davon vermittelt dieser Gang durch viele Schätze und manche Kuriosität des Leipziger Musikinstrumentenmuseums einen reichhaltigen Eindruck. Angeordnet nach den Gruppen der Metall- und Holzblasinstrumente, der Zupf- und Streichinstrumente, der Schlag- und Effektinstrumente sowie nach Klavieren, Harmonium, Orgel, Drehorgel und Spieldose werden sämtliche Klangerzeuger vorgestellt, die den Werken entweder Farbtupfer einfügen oder ihre Gesamtstimmung kolorieren. Hundings Stierhorn und die Tristanschalmei, die Beckmesserlaute und die Minnesängerharfe, die Altoboe und das Gralsglockenklavier sind da eher Solisten, indessen Wagnertuben, Lohengrintrompeten und die Rheingoldambosse im komplexen Satz den Klanggrund der Stücke schaffen. Viele Abbildungen, zweisprachige Beschreibungen, Zitate und Notenbeispiele geben hierzu Auskünfte.
Auch den Instrumentenbauern, denen Wagner Anregungen oder die Erfüllung seiner Wünsche verdankt und die mitunter noch heute kunstfertig am Werke sind, wird anerkennende Aufmerksamkeit zuteil: die Gebr. Alexander, in deren Mainzer Werkstatt Wagner experimentierte und die ab 1890 die Bayreuther Festspiele mit Wagnertuben belieferten, die Firma Heckel in Biebrich, der Pariser Adolphe Sax und das Bayreuther Unternehmen von Johann Simon Stengel.
Und dann erfahren noch die Klavierbauer, deren Instrumente Leihgaben oder Ehrengeschenke, ratenweise abgestottert oder schuldengeplagt verkauft im abenteuerlichen Leben des Künstlers eine Rolle spielten, ihre Würdigung: Breitkopf & Härtel, Érard, Bechstein, Steinway, Steingraeber und Ibach.
Der Leser erhält so den faszinierenden Anblick von jenem Instrumentarium, mit dem Wagner in der akustischen Wunderkammer, wie Christian Thielemann den Bayreuther Orchestergraben nennt, die Pracht und den Zauber seiner Klänge schließlich voll und ganz zur Blüte bringen konnte.
Eberhard Kneipel