Wagner, Richard
Götterdämmerung
4 CDs
Selten hat der runde Geburtstag eines Komponisten im Vorfeld für so viel Aufmerksamkeit gesorgt. Erst am 22. Mai 2013 würde Richard Wagner 200 Jahre alt werden. Und schon viele Monate zuvor entstanden an vielen Opernhäusern wie in München, Berlin, Straßburg, Freiburg, Hamburg und Frankfurt am Main neue Produktionen seines Ring des Nibelungen. Der Hamburger und der Frankfurter Ring sind inzwischen sogar komplett auf CD veröffentlicht. Dass beide beim gleichen Label Oehms Classics erschienen sind und sich somit gegenseitig Konkurrenz machen, entbehrt dabei nicht einer gewissen Skurrilität. Voraussichtlich im April 2013 wird Oehms den kompletten Frankfurter Ring als DVD-Box herausbringen, und etwas später auch als Audio-Box, wie zuletzt im November 2012 schon den kompletten Hamburger Ring.
Der Livemitschnitt der Frankfurter Götterdämmerung ist vor allem wegen des großartigen Frankfurter Opern- und Museumsorchesters unter seinem Generalmusikdirektor Sebastian Weigle ein echtes Hörerlebnis. Beeindruckend, wie Weigle mit seinem großartigen Orchester die Erregungskurven in Siegfrieds Trauermarsch ausschlagen lässt, um sie dann ganz behutsam wieder zurückzunehmen. Packender und gleichzeitig berührender kann diese Musik kaum interpretiert werden. Insgesamt hat der Dirigent ein sehr gutes Gespür für das richtige Timing. Pausen werden als Teil der Komposition gesehen, den Nachklängen wird wie beim im schönsten Legato musizierten Vorspiel genügend Raum gegeben. Der Erzählstrom reißt nie ab. Weigle schafft plastische Klangbilder wie vor dem ersten Aufeinandertreffen von Brünnhilde und Siegfried, bei dem die Streicher für diesen Sonnenaufgang ganz allmählich die Helligkeit erhöhen. Vor allem aber achtet er auf rhythmische Präzision, was die dramatische Wucht nicht nur in der großen Dialogszene zwischen Alberich und Hagen im 2. Akt erhöht.
Den Sängern lässt Weigle dagegen viele Freiheiten. Die Rheintöchter (verführerisch: Britta Stallmeister/Woglinde, Jenny Carlstedt/Wellgunde, Katharina Magiera/Flosshilde) können ihre Linien beim Werben um Siegfried aussingen. Auch die Nornenszene (Meredith Arwady, Claudia Mahnke, Angel Blue) gelingt in einem ganz natürlichen Fluss. Leider ist das Solistenensemble nicht homogen besetzt. Susan Bullock verfügt als Brünnhilde zwar über genügend Strahlkraft für diese Partie, übersteuert ihren Sopran aber bei den extrovertierten Passagen. Lance Ryan kann als Siegfried kaum überzeugen zu eng und gelegentlich meckrig klingt sein Tenor, zu brüchig ist seine Phrasierung. Die Spitzentöne wirken gepresst. Zumindest intonatorisch bewegt sich der Kanadier sicher durch die Partie. Johannes Martin Kränzle ist ein vielschichter Gunther, bei dem man jedes Wort versteht, Gregory Frank gibt Hagen als echten Bösewicht mit großer krimineller Energie. Auch Jochen Schmeckenbecher (Alberich), Claudia Mahnke (Waltraute) und Anja Fidelia Ulrich (Gutrune) entwerfen klare Rollenprofile. Und sorgen dafür, dass in dieser Götterdämmerung auch viele vokale Glanzpunkte zu erleben sind, zumal auch der Chor/Extrachor der Frankfurter Oper seinem guten Ruf alle Ehre macht.
Georg Rudiger