Erck, Alfred
Geschichte des Meininger Theaters
175 Jahre Theatergeschichte da kann eine Menge passieren. Und im Meininger Theater, das weiß man schon lange, hat es immer wieder Phasen gegeben, in denen dort überregional Beachtetes passierte, schlicht: Aufregendes. Eine geschlossene Darstellung fehlte bislang über diese 175 Jahre spannendster Musikgeschichte, ganz besonders im Hinblick auf deutsche Orchester- und Interpretationskultur. Vom Wirken Hans von Bülows in Meiningen hat jeder schon einmal gehört, von dem von Christine Mielitz ebenso. Aber auch in der Zeit zwischen Bülow und Mielitz wurde im Südthüringischen eine aufregende Theatertradition fortgesetzt.
Einer, der ein verhältnismäßig großes Stück dieser Geschichte leibhaftig beobachtet hat, hat im Auftrag des Hauses die 175 Jahre aufgearbeitet und zwischen zwei Buchdeckel gebracht: Alfred Erck, emeritierter Professor der TU Ilmenau, wirkte seit 1964 als Theaterkritiker in Meiningen. Was Erck zusammenträgt in seiner Beschreibung von den Anfängen bis zur Gegenwart ist aber nicht nur Meininger Theatergeschichte, sondern Theatergeschichte allgemein.
Von der Gründung bis zur Gegenwart werden Höhe- und Tiefpunkte beschrieben, und das mit Blick auf alle Sparten. Nicht nur Freaks finden hier etwas, aber die auch. Man begegnet Namen und Bildern von Menschen, die Meiningen als Sprungbrett genutzt, die dieses Theater aber auch vorangebracht haben. Da wird die Theaterreform von Herzog Georg II. verständlich erläutert, die weit ins deutsche Sprechtheater hinein wirkte; über Johannes Brahms und Richard Strauss Wirken an der Spitze der Hofkapelle wird berichtet, ebenso über das Max Regers. Auch die wechselvollen DDR-Jahre werden beleuchtet. Meiningen hat sich hier seinen Platz als zweite Brecht-Bühne des Landes erobert.
Der hochwertig ausgestattete und reichlich illustrierte, fakten- und quellenreiche Band ist mehr als nur Dokumentation, er ist lesenswerte Theatergeschichte, die immer den Blick über den Tellerrand wagt, das Meininger Theater nicht im luftleeren Raum beschreibt, sondern im sozialhistorischen Kontext. Und das schmälert die Bedeutung des Hauses in seiner wechselvollen Geschichte nicht, wertet sie vielmehr auf. Dass die Fotos gerade jene von architektonischen Elementen mehr als nur Zeugnisse, sondern vielfach wirklich selbst Kunst sind, ist ein weiteres Plus, ebenso wie der moderate Preis.
Tatjana Böhme-Mehner