Udo Sirker

Geschichte der Bläsermusik

Eine Einführung

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Laaber, Lilientha
erschienen in: das Orchester 12/2023 , Seite 63

Im Rahmen der vom Laaber-Verlag betreuten Reihe „Gattungen der Musik in 15 Bänden“, herausgegeben von Elisabeth Schmierer, erschien jüngst der Band Geschichte der Bläsermusik, für den Udo Sirker verantwortlich zeichnet. Die Einführung reicht von der Vor- und Frühgeschichte des Musizierens mit Blasinstrumenten bis ins 21. Jahrhundert. Im ausführlichen Vorwort stimmt er in das bekannte Lamento mit ein, Musik für Bläser lasse keine exakte Definition zu, reduziert diese für seine Darstellung dann aber in „reine Bläserbesetzungen überwiegend kammermusikalischer Art“ und „konzertante Musik für ein Blasinstrument oder mehrere Blasinstrumente mit Orchester“. Ebenso zieht er „gemischte Besetzungen“ mit Streichern oder Tasteninstrumenten heran, wobei für ihn hauptsächlich der „artifizielle Anspruch“ entscheidend ist. Das ist jedoch ein Problem: Welche Entscheidungskriterien bestimmen denn genau, was damals als hohe Kunst galt? Bläsergestützte, also „laute“ Musik diente freilich der Repräsentanz, der zweckgebundenen Machtausübung, diente aber auch der Belustigung und der Zerstreuung. Weiterhin richtet Sirker seinen Blick auf die Werke der üblichen Komponisten. Weniger bekannte Tonkünstler werden meist nur aufgezählt.
Nach einem kurzem Streifzug durch Antike und Mittelalter kommen die epochenbedingten, verschiedenen Bläserformationen wie die „alta cappella“ der Renaissance ausführlicher zur Sprache, ebenso die „venezianische Bläsermusik“, die höfisch und städtisch gebundenen, barocken Musiken mit ihrem jeweiligen Blas-Instrumentarium, die Harmoniemusiken, das klassische Bläserquintett bis hin zu interessanten Formationen mit Blechbläsern. Größere symphonische Bläserbesetzungen des 20. Jahrhunderts werden jedoch nur auf neun Seiten überblicksartig gestreift, was schade ist, weil diese echte Bläsermusik seit etwa einhundert Jahren ein eigenes Genre ausbildet. Trotz der Aufzählungen von Werken mit größerer Besetzung fand aber weder die Bläsermesse in e-Moll von Anton Bruckner Erwähnung noch die Bläsersymphonie Es-Dur op. 46 von Nikolai Mjaskowskij.
Übers Ziel hinausgeschossen sind die Darstellungen der seit dem 18. Jahrhundert zu einer schier unübersehbar angewachsenen Zahl an Solo-Konzerten und -Sonaten mit Klavier oder Streichern und Bläsern. Diese gehören wahrlich nicht zur Bläsermusik, sondern in die Geschichte des Solo-Konzerts. Dem Leser wäre demnach diese überaus anstrengend zu lesende Aufzählung der einzelnen Werke, angefangen von Vivaldis Konzerten bis hin zum aufgeblähten Kapitel des 20./21. Jahrhunderts, erspart geblieben. Die eigentlich interessanten Entwicklungslinien der Bläsermusik, ihre Strömungen und Einflüsse sind dadurch leider etwas aus den Augen geraten.
Werner Bodendorff