Lustig, Monika (Hg.)

Geschichte, Bauweise und Spieltechnik der tiefen Streichinstrumente

Michaelsteiner Konferenzberichte, Band 64

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Stiftung Kloster Michaelstein / Verlag Janos Stekovics, Dößel 2004
erschienen in: das Orchester 04/2005 , Seite 84

Michelstein bei Blankenburg hat sich bereits in den 1970er Jahren unter der Leitung des rührigen Eitelfriedrich Thom als Pilgerstätte für Musiker etabliert, wo im alten Gemäuer Theorie und Praxis Hand in Hand gingen. Am meisten profitierten dabei wahrscheinlich die Kontrabassisten, deren Instrument durch seine vielfältigen Erscheinungsformen, Größen, Stimmungen und Namen einander widersprechende Forschungsergebnisse provozierte.
Auch in diesem Buch befassen sich zwölf Autoren mit dem tiefsten Streichinstrument, das etwa bis zum 19. Jahrhundert hauptsächlich Violone genannt worden war. Doch diese historische Bezeichnung erweist sich neuerlich als Zankapfel bei der Suche nach der Familienzugehörigkeit des Kontrabasses und seiner Klangidentität. Einige Autoren dieses Bandes haben sich bereits in der zweiten Auflage des Lexikons Musik in Geschichte und Gegenwart als Proponenten eines Violone zu erkennen gegeben, der je nach Bedarf als „Cello“ oder als dessen Oktavkumpel charakterisiert wird. Auf der Suche nach Bildbeispielen für diesen „Violoncello/Violone“ werden Darstellungen zitiert, die im Widerspruch zum Kanon der gesicherten Quellen stehen.
Das ist auch beim Titelbild dieses Bandes der Fall. Wer immer dieses Instrument  als „Violon“ bezeichnet, übersieht, dass es sich hier um eine jener Bassviolinen handelt, die Michael Praetorius 1619 als „Bas Geig de braccio“ und nicht als „Violon“ bezeichnet hat. Die Differenzen wurzeln auch in unterschiedlichen Auffassungen über den Kontrabass als 16-Fuß-Instrument. Dass ein Teil der Kontrabasspartien realiter (also nicht transponierend) auszuführen ist, blieb im Schrifttum weitgehend unerwähnt, sehr zum Schaden der in der Lexikografie seit dem 19. Jahrhundert verbreiteten anfechtbaren Auskünfte.
Ein Teil des Berichts ist dem Gedenken an Johann Matthias Sperger gewidmet, jenem Kontrabassisten aus dem niederösterreichischen Feldsberg (heute Valti´ce, daher von einem der Autoren als „Bohemian virtuoso“ bezeichnet), der bei seiner Übersiedlung nach Schwerin den Grundstock der klassischen Konzertliteratur für Kontrabass gerettet hat. Sein 250. Geburtstag war im Jahr 2000 Anlass für die Gründung einer Gesellschaft seines Namens. Dass ihr Gründer Klaus Trumpf, der beste Kenner Spergers in Theorie und Praxis, in den Texten unerwähnt bleibt, ist zu bedauern und lässt auf Konkurrenzdenken schließen, wo gemeinsames Vorgehen sinnvoll wäre.
Leider erscheint dieser Bericht erst vier Jahre nach dem Symposium. Das mindert seinen Aktualitätsbezug, wie das anämische Bildmaterial seinen Aussagewert schmälert. Erfreulich die Bemühungen des spanischen Kontrabassisten Xosé Crisanto Gándara, dem es trotz der spezifischen geopolitischen Lage in seiner Heimat (maurische, flämische und italienische Einflüsse) gelang, durch Kompilation der wenigen vergleichbaren Quellen zur Instrumentalmusik die besten Voraussetzungen für weitere Untersuchungen zu schaffen.
Alfred Planyavsky

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