Avni, Tzvi
Gescharim / Apropos Klee / The ship of hours
Tzvi Avni, 1927 in Saarbrücken als Hermann Jakob Steinke geboren, ist heute ein Doyen der israelischen Komponistenszene. Er schwankte lange zwischen den Berufen eines Malers und eines Musikers. Das ist bei der vorliegenden CD zu spüren: Zwei Kompositionen befassen sich mit Bildern. Von Paul Klee ließ er sich durch die Bilder Alter Klang, Fuge in Rot, Insula Dulcamara und, natürlich, durch die Zwitschermaschine inspirieren. Die vier Sätze sind unter dem Titel Apropos Klee zusammengefasst. Ebenfalls vier Bilder von Mordechai Ardon bilden den Hintergrund für The ship of hours. Leider sind die Gemälde nicht im Beiheft abgedruckt; von den Klee-Bildern kann man sich immerhin einen Eindruck auf der Homepage des Komponisten verschaffen (www.tzvi-avni.com/2favni.htm).
Eingeleitet aber wird die CD mit dem Werk Gescharim (Brücken) für zwei Violinen. Während der erste und der letzte Satz beinahe neoklassizistisch klingen, bietet der langsame zweite Satz einen reizvollen Dialog der beiden Violinen. Sie führen sich gegenseitig in die Höhe oder in die Tiefe; selten einmal agieren sie auch gegeneinander. Im dritten Satz haben sie an wenigen Stellen sul ponticello zu spielen, also am Steg eine vielleicht doch etwas platte Versinnbildlichung der Brücke? Gleichviel: Das Werk ist von einer angenehm zu hörenden Tonalität, Avni arbeitet mit selbst entwickelten Modi; und die Solisten Joshua Epstein und Gesine Kolb führen es ohne Fehl und Tadel auf. Es ist der Mitschnitt der Uraufführung; auch der beträchtliche Applaus wurde konserviert.
Bei den Bildern von Paul Klee trägt der Chor neben Klarinette, Schlagzeug und Klavier die Hauptaussage. Alter Klang beginnt mit einem archaisch anmutenden Chorsatz, der sich zunehmend ausdifferenziert. Die Fuge in Rot beginnt mit Fugato-Abschnitten. Der Chor setzt später mit einer Rezitation ein, die dann in Gesang übergeht; den Text dazu hat der Komponist selbst geschrieben. Zu Insula Dulcamara das Bild sollte ursprünglich Die Insel der Kalypso heißen vertonte der Komponist feinfühlig ein Gedicht von Lea Goldberg über die Trauer der Kalypso. Hier wäre der Abdruck des Texts und seiner Übersetzung zwingend notwendig gewesen.
Die Bilder Mordechai Ardons schließlich setzt der Komponist in vier Orchesterstücken um, in denen er seine sinfonische Kunst aufs Beste demonstriert. Ein großer sinfonischer Atem geht einher mit fein ziselierter Klangalchemie. Lange Steigerungen münden in einen überraschenden Wechsel der Atmosphäre. Manchmal klingt die Musik wieder etwas neoklassizistisch, an einigen Stellen erinnert sie ein wenig in ihrer Klanglichkeit an Messiaen. Sogar in dem Stück Arabisches Dorf vermeidet der Komponist allzu banale orientalische Klanggesten; wer bei ihm auf Folklore hofft, hofft vergebens. Seine Klangsprache ist sicherlich von seinem jüdischen Hintergrund nicht zu trennen; aber sie ist völlig autonom, ernsthaft, nachdenklich, manchmal witzig. Die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern wird allen Anforderungen unter der Leitung von Michael Stern bestens gerecht. Der Gesamteindruck der Produktion überzeugt den Liebhaber einer zeitgenössischen Musik, die in der Tradition wurzelt. Lediglich das Beiheft hätte besser ausgestattet sein können.
Diederich Lüken


