Werke von Georg Friedrich Händel, Henry Purcell, John Playford u. a.

Gentleman for a day

Barbara Heindlmeier (Blockflöte), Ensemble La Ninfea

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Perfect Noise
erschienen in: das Orchester 9/2024 , Seite 75

Es geschieht einer Musikkritikerin ja eher selten, dass sie bei ihrer Arbeit mit Erbeeren und Sahne konfrontiert wird – doch diese CD des auf authentischem Instrumentarium musizierenden und recht international besetzten Ensembles La Ninfea drängt es sich der Autorin geradezu auf, sich doch endlich mal über die wahre Beschaffenheit der berühmten Clotted Cream in Kenntnis zu setzen.
Der Appetit wird dabei von der Geschichte angeregt, die die fünfköpfige Gruppe im Booklet in launigen Worten erzählt, nämlich dem Tagesablauf eines Gentleman im England des 17. Jahrhunderts: wie er sich frühmorgens erhebt, was er frühstückt, wie er einen Besuch bei Hofe unternimmt, im Park mit den Damen plaudert, den Tee nimmt, anschließend die Oper besucht, danach einen geselligen Abend im Bekanntenkreis zubringt und – der Nachtigall lauschend – zu Bette geht. Nicht unbedingt allein, übrigens; aber darüber würde so ein Gentleman natürlich genießend schweigen!
Belegt ist diese Geschichte mit Zitaten aus dem berühmten Tagebuch des Samuel Pepys und unterlegt ist sie mit Musik aus dem England dieser Zeit: von der Nachtigall Jacob van Eycks über Curtain Tune von Matthew Locke, Henry Purcell und anderen englischen Komponisten des Frühbarock bis hin zu Flöten-Sonaten und für die Besetzung der Gruppe arrangierten Arien Händels, durchmischt mit einigen Arrangements traditioneller Melodien.
La Ninfea (Soloblockflöte, Violine, Gamben, Erzlaute – vermutlich Theorbe – und Zister, Cembalo) spielt engagiert und mit hörbarer Freude an der Sache. Und sicher, die Blockflöte per se ist nicht gerade das dynamisch versatilste Instrument unter der Sonne, aber dennoch kann man sich hier durchaus dynamischer Differenzierung erfreuen. Ausgezeichnet auch die Intonation aller Beteiligten, ebenso wie das Zusammenspiel. Gut: Mal grummelt es ein bisschen zwischen den Continuo-Instrumenten bei schnellen Bassgängen, mal könnte man sich in einem langsamen Satz etwas mehr bewusste Gestaltung vorstellen – doch mag etwa ein recht brav und schlicht gespieltes Andante auch als bewusste Unterbrechung bewegteren Geschehens geplant sein. Die Balance zwischen den Instrumenten ist gut, auch die Arrangements eigentlich blockflöten-fernen Repertoires funktionieren hervorragend, die Instrumente sind hier geschickt eingesetzt und klingen schön.
Die im Booklet erzählte Geschichte mag also für einen reinen Hörer dieser CD eher irrelevant sein, und eigentlich böte die Musik alleine auch schon ausreichend Grund, die Aufnahme zu kaufen. Doch wer sich auf die Geschichte einlässt, wird zweifelsohne große Freude an ihr haben und die Musik umso mehr genießen – um dann endlich unter dem im Booklet abgedruckten Link bei der Website des Ensembles nachzusehen, was es denn nun mit dieser Clotted Cream zu den englischen Erbeeren wirklich auf sich hat …
Andrea Braun