Koch, Rüdiger

“Funkisches” Singen

Rundfunkchor-Entwicklung vor 1945

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: das Orchester 07-08/2005 , Seite 25
Weder die Musikwissenschaft noch die Rundfunkforschung haben bisher die Entwicklung des Rundfunk-Chorwesens in Deutschland untersucht. So konnte der Eindruck entstehen, die Rundfunkchöre seien eine Schöpfung der Nachkriegszeit. Erkenntnissplitter finden sich nur in Spezialabhandlungen über die Programmgeschichte (1) und die Wirtschaftsgeschichte (2) des deutschen Rundfunks sowie in zeitgenössischen Almanachen. Seit Mitte der 90er Jahre hat in den Rundfunkchören Berlin (3) und Leipzig (4) eine Beschäftigung mit den geschichtlichen Wurzeln begonnen. Eine Zusammenfassung aller Ergebnisse ermöglicht es, die Grundlinien der Rundfunkchor-Entwicklung darzustellen.

Erste Sender – erste Rundfunkchöre
Mit der Berliner Funk-Stunde begann am 29. Oktober 1923 der erste Sender seinen Betrieb in Deutschland. Bis zum Herbst 1924 folgten weitere Stationen in Leipzig (MIRAG), München (Deutsche Stunde in Bayern), Frankfurt (SWR), Hamburg (NORAG), Stuttgart (SÜRAG), Breslau (Schlesische Funkstunde), Königsberg (ORAG) und Münster (WEFAG – später als WERAG in Köln). Chorgesang hatte schon seit den ersten Tagen des deutschen Rundfunks einen festen Platz im Programm. (5) So wirkte in der Eröffnungssendung des Leipziger Senders der Thomanerchor mit. Kirchenchöre und andere Chorvereinigungen fanden sich fortan oft in den Programmen. Die Kritik ließ die meisten dieser Darbietungen jedoch durchfallen: Sowohl Intonationssicherheit und Homogenität als auch die technische Seite der Übertragungen wurden bemängelt. Während der ersten Monate und Jahre der Rundfunkentwicklung setzten die bescheidenen technischen Möglichkeiten dem musikalischen und organisatorischen Willen deutliche Grenzen. „Im allgemeinen sind große Klangmassen, Orchester, Chöre nach dem heutigen Stand der Technik sehr wenig oder gar nicht zur Wiedergabe geeignet, das Klangergebnis solch großer Massen ist heute noch ziemlich unausgeglichen, daher […] nicht sonderlich genußreich.“ (6) Ein Chor durfte also nicht zu groß sein, was wiederum die Breite der darzubietenden Literatur beschränkte, es sei denn, dass hervorragende oder doch gut ausgebildete Stimmen zu finden gewesen wären. Eine weitere sich aus der Experimentalsituation des Rundfunks ergebende Forderung war es, ständig die selben Sänger zu beschäftigen und diese mit dem Medium Rundfunk und dem „funkischen“ Singen so weit vertraut zu machen, dass sie bei jedem neuen Projekt in der Lage waren, auf den Erfahrungen des vorangegangenen aufzubauen. Hinzu kam, dass während der ersten Rundfunkjahre ausschließlich live gesendet wurde, Studiokapazitäten und Probenmöglichkeiten also begrenzt waren. Auch aus diesen Gründen erschien es als sinnvoll, eigene Chöre zur ständigen Verfügung zu haben.
Ein Hauptmerkmal des Rundfunks der Weimarer Republik, die regionale Gliederung, ließ die Sendeanstalten entsprechend den unterschiedlichen finanziellen und örtlichen Gegebenheiten verschiedene Wege bei ihren Chorgründungen einschlagen. In Berlin ergab sich die aus Sicht des Funks günstige Möglichkeit, den Chor der kurz zuvor aufgelösten Großen Volksoper einschließlich des Chorleiters zu übernehmen. „Ganz im Sinne der musikalischen Vorgeschichte des Ensembles waren es Opern und Operetten, die das Programm des Chors in dieser Zeit wesentlich bestimmten.“ (7) In Leipzig wollte Alfred Szendrei hauptsächlich das Oratorienrepertoire pflegen: „Bereits im ersten Jahre meiner Rundfunktätigkeit bin ich an das Wagnis herangetreten, Oratorien zu senden, trotz der damals allgemein verbreiteten Ansicht, daß Chorgesang im Rundfunk schlecht ‚durchkommt‘. Ich habe mir einen ständigen Chor von 32 Sängern zusammengestellt, alle Mitglieder des Gewandhauschors, mit ausgezeichneten Stimmen und alle perfekte Blattleser. Mit nur ein bis zwei Klavierproben und einer Generalprobe konnte ich mit diesem Chor einwandfreie künstlerische Leistungen erzielen. Ich habe den Chor zu ‚funkischem‘ Singen trainiert, d. h. den Sängern diejenigen Stärkegrade beigebracht, welche die damalige Mikrophontechnik erlaubt hat. Außerdem sind mehrere Mikrophone so aufgestellt worden, daß die vier verschiedenen Chorgruppen sich klar voneinander abhoben…“ (8) Wilhelm Buschkötter, der musikalische Chef des Kölner Senders, ertrotzte sich vom Rundfunkkommissar Hans Bredow die Zustimmung für die Gründung eines Rundfunkchors, was Bredow mit der ironischen Bemerkung kommentierte, Buschkötter sei in musikalischen Dingen ein Nimmersatt. Nach einer Ausschreibung und einem Vorsingen wurde ein zunächst 16 Mitglieder umfassender Chor gebildet, der zeitweise auf eine Zahl von 39 vergrößert und von Bernhard Zimmermann geleitet wurde. Bis zum Ende der Weimarer Republik entstanden an allen Sendern Rundfunkchöre. Bei der NORAG in Hamburg bildete 1926 ein Soloquartett die Keimzelle des Chors, der 1933 aus sieben fest angestellten und 16 freien Sängern bestand. Der Frankfurter Sender gründete 1930 einen kleinen, 1933 elf Mitglieder starken Chor. Für die Schlesische Funkstunde ist ab 1930 die Existenz eines 18-köpfigen Ensembles überliefert. Die Sänger des Chors des Ostmarken Rundfunks waren ab ca. 1928 auf der Grundlage von Werksverträgen beschäftigt. Auch der Chor der SÜRAG in Stuttgart entstand schon in der zweiten Hälfte der 20er Jahre. Seine Mitglieder waren im heutigen Sinn feste freie Mitarbeiter. Der Rundfunkchor der Deutschen Stunde in Bayern darf als ein Muster an Beständigkeit gelten: 1926 gegründet, fungierte Eduard Zengerle sogar bis in den Zweiten Weltkrieg hinein als einziger Chorleiter. Die Stellenzahl betrug während dieses Zeitraums 16 bis 18.
Detaillierte Angaben über das Repertoire der Rundfunkchöre liegen nur von den Ensembles des Berliner und Leipziger Senders vor. Obwohl in Berlin die späteren Chorleiter Hugo Rüdel, Friedrich Jung und Maximilian Albrecht das Spektrum des Funk-Chors auch auf das Oratorium und den A-cappella-Gesang ausdehnten, blieben Opern, in der vom Bariton Cornelis Bronsgeest entwickelten Form der Opernsendespiele, das Markenzeichen des Berliner Rundfunkchors. In Leipzig setzte Alfred Szendrei einen anderen Schwerpunkt und führte die großen Oratorien des klassischen und romantischen Repertoires auf, hatte er doch seinem Ensemble den programmatischen Namen „Leipziger Oratorienvereinigung“ gegeben. Opernsendespiele und A-cappella-Werke traten zahlenmäßig dahinter zurück. Der Kölner Sender brachte beinahe alle zwei Wochen, in der Regel unter Beteiligung des Chors, eine Oper zur Aufführung. Für große Oratorien stand neben dem Funkchor ein aus Laien bestehender Konzertchor zur Verfügung.
Bis zum Ende der 20er Jahre bildete sich im deutschen Rundfunk ein musikalisches Profil heraus, welches der Bildung das Primat vor der Unterhaltung einräumte. So definierte der Leipziger Musikchef Alfred Szendrei in seiner Dissertation schon 1931 Grundsätze, die von den öffentlich-rechtlichen Anstalten noch heute als Teile ihres Kulturauftrags angesehen werden: die Pflicht zur Pflege wenig bekannter Werke, die Förderung der neuen Musik (auch durch gezielte Kompositionsaufträge) sowie der Auftrag, das Publikum zu bilden.

Die Sparbestrebungen der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft
Nach den ersten fünf Jahren ihres Bestehens hatten die Rundfunkanstalten die Experimentierphase weitgehend überwunden. Zudem war aus einer Rundfunk hörenden Elite ein Volk von Rundfunkhörern geworden. Zur Wahrnehmung gemeinsamer Interessen schlossen sich fast alle Sender gemeinsam mit der Reichspost schon sehr früh in der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) zusammen. Einfluss, Personalstärke, Finanzbedarf und Macht der RRG – und damit der Politik – nahmen aufgrund verschiedener organisatorischer Maßnahmen immer mehr zu. Auf dem Weg über drastische Sparauflagen machte die RRG von ihrer neuen Macht Gebrauch und mischte sich auch in die Programmgestaltung ein. Verschiedene fadenscheinige Begründungen täuschten über die eigentlichen Intentionen hinweg. „Der wahre Grund für die forcierten Forderungen Bredows nach Reduzierung der Ausgaben lag in seiner Überzeugung, die Öffentlichkeit werde vor dem Hintergrund der allgemeinen Wirtschaftskrise eine Fortsetzung des bisherigen großzügigen Finanzgebarens beim Rundfunk nicht dulden. Wenn sich die Gesellschaften nicht der allgemeinen Sparmentalität beugten, dann sei der ‚schärfste bis zum äußersten gehende Druck‘ zu erwarten […] Der auch in der Wirtschaftskrise florierende Rundfunk wurde […] vornehmlich aus Rücksicht auf die ganz auf Deflation eingestellte Haltung der Mehrheit von Politik, Wirtschaft und Presse ebenfalls auf Sparkurs gezwungen.“ (9) In der Folge dieser Sparpolitik nehmen in Leipzig die Konzerte mit der Oratorienvereinigung 1929/30 spürbar ab. Ein Jahr später wird der Chor zu einem Kammerchor aus nicht fest beschäftigten Sängern umgebildet. In Berlin gibt es 1929 sogar Bestrebungen, den Funk-Chor aufzulösen. Dieser Plan wird nicht realisiert, jedoch sinkt die Stellenzahl zeitweise um acht Chormitglieder. Eine Reduzierung gleicher Art erfährt der Chor des Kölner Senders.
Neben der Ausgabenverringerung war es wichtig, die Einnahmen zu erhöhen, also die Hörerzahlen weiter zu steigern. Dabei wurde ein populäreres, seichteres Programm in Kauf genommen. Der Leipziger Intendant Neubeck äußerte: „Der Rundfunk besitzt heute eine so große Hörerschaft, daß er nur das in sein Programm aufnehmen kann, was entweder auf breiteste Teilnahme rechnen kann oder was an sich bedeutungsvoll genug ist, um über den Augenblick und einen engen Kreis hinaus zu interessieren.“ (10) Wäre Neubeck der Quotenbegriff schon bekannt gewesen, hätte er sich einfacher ausdrücken können.

Gleichschaltung des Rundfunks – Gleichschaltung der Chöre
Nachdem sich der Einfluss des Staates auf den Rundfunk in der Weimarer Republik ständig vergrößert hatte, war es für die „braunen“ Machthaber ein Leichtes, sich des Funks zu bedienen. Die organisatorische Gleichschaltung endete mit der formalen Auflösung der regionalen Gesellschaften. Sie wurden jeweils unter dem Namen „Reichssender“ zu Filialen der RRG umgewandelt, die wiederum dem Propagandaministerium unterstellt war. Als konsequente Folge dieser Gleichschaltung wurden auch die Chöre in „Chor des Reichssenders“ (mit dem Zusatz des jeweiligen Sendersitzes) umbenannt. In Berlin entstand beim neu gegründeten Deutschlandsender ein 20 Mitglieder starker Kammerchor unter Hans-Georg Görner.
Mit Sicherheit haben die antisemitisch ausgerichteten Nürnberger Gesetze auch die Mitglieder der Chöre betroffen, ohne dass bisher jedoch Namen von diskriminierten Chormitgliedern ermittelt werden konnten. In Köln wird bis 1935 die Hälfte des Chors durch den neuen Intendanten Glasmeier entlassen und gegen gefügigere, wenn auch künstlerisch weniger geeignete Mitglieder ausgetauscht. Dadurch sinkt hier, wie bei anderen Reichssendern auch, die künstlerische Qualität. Auf den Leitungsebenen gibt es ebenfalls „Säuberungen“. Schon 1931 war der Einfluss nationalsozialistischer Kreise so groß, Alfred Szendrei wegen seiner jüdischen Abstammung aus dem Amt des musikalischen Chefs des Leipziger Senders zu drängen. In Köln müssen der Dirigent Wilhelm Buschkötter und Chordirektor Bernhard Zimmermann ihren Dienst quittieren, in Berlin Chorleiter Maximilian Albrecht.
Der Leipziger Rundfunkchor tritt nun ab und zu gemeinsam mit „SS-Standarten“, „SA-Musikzügen“, Soldatenchören und Militärkapellen auf. Das Programm wird an allen Sendern, besonders am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, immer unterhaltsamer und gleichzeitig flacher. Die Werke jüdischer Komponisten fehlen seit 1933 ganz.
Im Rahmen der Gleichschaltung erhalten bis 1938 die Mitglieder aller Chöre (mit Ausnahme des Stuttgarter Ensembles) feste Verträge beim Rundfunk. Die Kehrseite dieser positiv erscheinenden Maßnahme sollte sich 1942 zeigen: Mit einem Federstrich wird es dem zum Rundfunk-Reichsintendanten aufgestiegenen Heinrich Glasmeier möglich, am 15. September alle Rundfunkchöre zum Ende des Jahres aufzulösen.

„Kanonen oder Singen?“ – der Reichs-Bruckner-Chor
Damit war allerdings das Ende des Rundfunk-Chorwesens vor 1945 noch nicht gekommen. Glasmeier kompensierte seinen schwindenden Machteinfluss, indem er sich eine Idee Hitlers zunutze machte: den Ausbau der Stadt Linz zu einem europäischen Kulturzentrum mit einem Bruckner-Orchester und -Chor im Stift St. Florian. Als Leiter des „Bruckner-Chors St. Florian des Großdeutschen Rundfunks“ wurde Thomaskantor Günther Ramin gewonnen, der den Chor von März 1943 bis April 1944 in Leipzig aufbaute. Die Bevölkerung beäugte das neue Ensemble argwöhnisch. Es gab sogar Anzeigen beim Arbeitsamt. Mit den Worten: „Was ist heute wichtig: Kanonen oder Singen?“, (11) wollte der Leiter der Behörde die Arbeit des Chors zunächst unterbinden. Erst nach Rückendeckung von allerhöchster Stelle durfte der Bruckner-Chor weiterarbeiten. Der Presse wurde die Auflage erteilt, nur noch über die Konzerte des Chors zu berichten, nicht jedoch Fragen nach der Existenzberechtigung des Ensembles zu stellen. In einer Pressemitteilung hieß es: „Der Rundfunk hat seine Chöre an den Reichssendern aufgelöst. Aus diesen Chören ist durch Auswahl ein Spitzenchor zusammengestellt und diesem der Name ‚Bruckner-Chor‘ gegeben worden. Es handelt sich hier also um keine Neugründung, sondern nur um eine neue Zielsetzung der Chorarbeit des Rundfunks.“ (12) Von April 1944 bis zum Ende des Krieges sang dieser letzte Rundfunkchor aus der Zeit vor 1945 unter Michael Schneider und Johannes Rietz, der zuvor schon erfolgreich Ramin assistiert hatte, in St. Florian weiter. Trotz des Kriegsendes blieb ein Teil der Chormitglieder in Linz und setzte die Arbeit unter der Leitung des Chortenors Walter Kretschmar fort. Nachdem die deutschen Staatsbürger Österreich verlassen mussten, siedelte dieser Restchor nach Korntal bei Stuttgart über, offenbar in dem Bestreben, als Rundfunkchor eines neu zu gründenden Stuttgarter Senders übernommen zu werden. Diese Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Mit zum Teil neuen Kräften bestand der Bruckner-Chor als freier Konzertchor bis zum Beginn der 50er Jahre weiter.

Alte Wurzeln – neuer Anfang
Mit Gründung der Berliner Solistenvereinigung begann schon 1945 die Neuorganisation des Rundfunk-Chorwesens. Als einziger Sänger aus dem ehemaligen Berliner Funk-Chor gehörte der Tenor August Richter dem neuen Ensemble an. In Leipzig ergriffen drei Mitglieder des Reichssender-Chors gemeinsam mit Heinrich Werlé, einem häufig engagierten Gastdirigenten aus der Mitte der 30er Jahre, die Initiative und gründeten mit dem Ziel der späteren Übernahme durch den Sender Leipzig den Chor am 1. Mai 1946 neu. Die feste Anstellung beim Rundfunk erfolgte drei Monate später. Neun Mitglieder aus der Vorkriegszeit sollten dem neu gegründeten Ensemble angehören. Ähnlich in Köln: Sieben „alte“ Mitglieder und Bernhard Zimmermann, Chordirektor von 1928 bis 1934, kehrten zu ihrem Chor zurück. Im Kammerchor von Radio Stuttgart sangen neben neuen Kräften ehemalige Rundfunk-Chorsänger aus Stuttgart, Leipzig, Köln, Frankfurt, Breslau und Linz. Walter Kretschmar, aus dem Leipziger Chor stammend, leitete den Kammerchor von 1947 bis 1951. Auch Sänger aus Frankfurt, München und Hamburg sangen nach 1945 wieder in „ihren“ Chören. Insgesamt konnten 43 Chormitglieder und Dirigenten ermittelt werden, die gleichermaßen vor und nach dem Krieg in Rundfunkchören wirkten.
Das deutsche Rundfunk-Chorwesen stellt sich als ein vitaler Organismus dar, der trotz schwieriger finanzieller und technisch-organisatorischer Voraussetzungen der Anfangsjahre, trotz massiver Sparauflagen der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft und sogar trotz Auflösung der regionalen Chöre während der Nazizeit am Leben blieb und sich nach dem Krieg aus alten Wurzeln neu entwickelte.
Die derzeitigen Forderungen der Politik, im Rahmen der Gebührendebatte durch Einschnitte und Auflösungen Sparpotenziale bei den Rundfunkchören zu erschließen, erinnern stark an die Spardiktate der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft während der späten 20er Jahre. Für den Gebührenzahler wären die wenigen Cent an Einsparung kaum zu spüren, hingegen würde die Gesundheit, wenn nicht gar die Existenz eines gewachsenen, auch weiterhin entwicklungsfähigen „kostbaren Organismus“ (Karlheinz Stockhausen) aufs Spiel gesetzt.

Anmerkungen
1 Joachim-Felix Leonhard (Hg.): Programmgeschichte des Hörfunks in der Weimarer Republik, München 1997.
2 Karl Christian Führer: Wirtschaftsgeschichte des Rundfunks in der Weimarer Republik, Potsdam 1997.
3 Auf den umfangreichen, nicht veröffentlichten Forschungsarbeiten von Werner Eberhardt beruht der Beitrag von Marcus Fischer: „Rundfunkchor Berlin – 75 Jahre Chortradition im Berliner Rundfunk“, in: Transfiguration, Berlin 2000.
4 Rüdiger Koch: „Zweiundzwanzig vergessene Jahre“, in: Triangel 11/04, S. 88-96.
5 Als Rundfunkchor soll im Folgenden ein mehr als Doppelquartettgröße umfassendes Vokalensemble verstanden werden, dessen Hauptfunktion darin besteht, die Chor-aufgaben bei einem Rundfunksender zu übernehmen.
6 Alfred Szendrei: „Was wir wollen“, in: Radio-Rundschau 4/24, S. 52.
7 Fischer, a.a.O., S. 12.
8 „Aus den Lebenserinnerungen des jahrelangen Dirigenten des Leipziger Sinfonieorchesters, Alfred Szendrei“, in: Triangel 2/98, S. 46.
9 Führer, a.a.O., S. 142 f.
10 Die Mirag 8/32, S. 6.
11 zitiert nach Hanns Kreczi: Das Bruckner-Stift St. Florian und das Linzer Reichs-Bruckner-Orchester (1942-1945), Graz 1986, S. 285.
12 ebd., S. 285 f.