Werke von Ziehrer, Suppé, Beethoven und anderen
Frühling in Wien
Wiener Symphoniker, Ltg. Manfred Honeck
Wenn ein Weltklasseorchester wie die Wiener Symphoniker Stücke der sogenannten leichten Muse auf Tonträger präsentiert, was ist da zu erwarten? Auf jeden Fall höchste Qualität in punkto Spieltechnik und Klang. Wir wissen das von den Neujahrskonzerten der Philharmoniker, und hier hören wir die Konkurrenz mit einem der alljährlichen Osterkonzerte Frühling in Wien. Dass die Interpretationen nicht wie man sagt musikantisch genug sein könnten, davor braucht man hier keine Angst zu haben. Denn Manfred Honeck, der ehemalige Generalmusikdirektor der Stuttgarter Oper, kennt diese Sphäre als Österreicher von Jugend an. Auch Großmeister wie Karajan, ja sogar Gustav Mahler, haben sich der leichten Muse gewidmet der Fledermaus von Walzerkönig Johann Strauß.
Richtig schmissig beginnt die CD mit Carl Michael Ziehrers Walzer Hereinspaziert aus der Operette Der Schätzmeister von 1904. Wenn wir später Ziehrers Weana Madln im Arrangement Max Schönherrs begegnen, ist daran zu denken, dass Willi Forst als Regisseur und Darsteller dem Komponisten einen Film desselben Titels gewidmet hat. Mit vier Stücken von Schönherr erinnert Honeck an einen, wie es im Booklet heißt, ziemlich in Vergessenheit geratenen Musiker, der auch als Chef des Wiener Rundfunkorchesters wirkte und viele Melodien anderer instrumentierte. Neben dem fetzigen Galopp Praterfahrt anno 1880 sind drei der acht Tänze aus Österreich von 1935 kennenzulernen. Für den schwungvoll-eleganten Schleifer, eine Vorform des klassischen Wiener Walzers, bearbeitete Schönherr Material aus einer alten Handschrift von 1750. Die 7 Sprünge steigern sich aus einer launischen Episode in kammermusikalisch reduzierter Besetzung zu saftigem Tutti-Schluss. Dem Volksliedforscher Raimund Zoder, auf den Schönherr teilweise zurückgreift und dem er den Zyklus widmete, könnte der derbe Bauerngalopp zugedacht sein. Mit Wien über alles, einer schnellen Polka, liefert Eduard Strauß, der jüngste Sohn von Strauß Vater, am Ende der CD den letzten Reißer.
Doch davor hatte das Publikum im Saal auch einiges Seriöseres genossen: Die populäre Ouvertüre zur Operette Dichter und Bauer bietet schöne Instrumentalsoli etwa vom Cello ebenso wie packende Orchesterparts und ausgreifende Walzerpassagen. Und übrigens ist da auch tatsächlich Frühling in Wien: Wir sind auf dem Hendelberger Heiratsmarkt, wo die Möglichkeit zum Freien noch am gleichen Tag bestand. Der Bayer Richard Strauss, Operndirektor in Wien von 1919 bis 1924 und dort wohnhaft, hat zwar ein starke Affinität zur Stadt, ihr aber nie ganz verziehen, dass sie sein Ballett Schlagobers durchfallen ließ. Doch die drei Ausschnitte Tanz des Kaffees Träumerei Finale besitzen Qualität und verraten klar die Handschrift des Meisters.
Ach ja, Meister und leichte Muse! Warum sollte die programmatische Darstellung der lustigen Landleute im dritten Satz von Beethovens Pastorale nicht geeignet sein, diese beiden Schlagwörter auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen?!
Günter Buhles