Pfister, Werner

Fritz Wunderlich

Biographie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2005
erschienen in: das Orchester 01/2006 , Seite 74

Lange war Werner Pfisters 1990 erschienene, seither maßgebliche Biografie über den früh verstorbenen Tenor Fritz Wunderlich vergriffen. Jetzt hat der Verlag den Band zum 75. Geburtstag des Sängers – unverändert, aber mit aktualisierter, sehr umfangreicher Diskografie und beigelegter Musik-CD – neu herausgebracht. Tatsächlich wäre diesem ausführlichen Lebensbericht kaum etwas hinzuzufügen gewesen. Pfister hat das Material zur Dokumentation dieser unvergleichlichen Karriere, die durch den tragischen Unfalltod des Künstlers 1966 ein jähes Ende fand, mit akribischer Sorgfalt aufgearbeitet. Das Buch breitet eine beeindruckende Fülle von Details und Fakten, Stimmen von Freunden und Kollegen, Selbst- und Fremdzeugnissen, Bedeutendem und Banalem, Briefen und Kritiken aus, illustriert die Darstellung mit zahlreichen schwarzweißen Fotos und entwirft dabei ein ungemein farbiges Porträt des außerordentlichen Sängers, der sich als mustergültiger Interpret lyrischer Opernpartien insbesondere von Mozart und Rossini, aber auch mit Oratorien und Liedern rasch einen glänzenden Namen machte, der jedoch darüber hinaus keine Scheu im Umgang mit populären Operetten und leichter Unterhaltung kannte.
Bisweilen freilich liest sich Pfisters gewissenhafte Aufzählung von Daten, Titeln und Besetzungen ein wenig spröde; da bieten denn die eingestreuten Anekdoten und privaten Geschichtchen eine willkommene Auflockerung, die zudem Einsichten gewähren in den liebenswürdigen Menschen Fritz Wunderlich, der die rasenden Aufschwünge, aber auch die Ängste und Zwänge seines überaus erfolgreichen Künstlerdaseins erlebte und erlitt.
Nachdrücklich räumt das Buch mit der Meinung auf, dass Wunderlich sich weitgehend auf das klassische Musikrepertoire beschränkt habe. Dagegen nennt Pfister zahlreiche Werke des 20. Jahrhunderts (etwa von Egk oder Orff), in denen der Künstler seine Offenheit und hohe Kompetenz auch für die Moderne bewiesen habe. Aufschlussreich und bis heute gültig sind die Ausführungen, die Wunderlich als rastlosen Artisten im immer mächtiger werdenden Medienzirkus vorstellen – ein Vorklang der rigiden Vermarktung, der die Stars unserer Gegenwart in noch viel stärkerem Maße ausgesetzt sind.
Ganz aktuell lesen sich daneben die Hinweise auf die Probleme, die der Konzert- und Bühnensänger Wunderlich hatte, um den rechten Weg zwischen dem eher spröden Duktus des Oratoriums und dem theatralischen Gestus der Oper oder Operette zu finden und überdies die stimmlichen wie stilistischen Folgen der immer häufiger werdenden Ausflüge in die lockenden Gefilde der leichten Muse zu überwinden. Allerdings verzichtet der Autor auf jeden Kommentar zu dem unüberhörbaren, nicht immer bekömmlichen Einfluss, den des Sängers Hinwendung zum populären Genre auf seine künstlerische Entwicklung genommen hat und den einige Kritiker schon zu seinen Lebzeiten moniert haben.
Einige Raritäten aus elf Berufsjahren des Tenors bietet die beigelegte CD, die nicht nur bekannte Aufnahmen enthält, sondern auch veritable Erstveröffentlichungen: eine köstliche Zauberflöten-Parodie, die Wunderlich 1954 zum Geburtstag seiner Freiburger Gesangslehrerin Margarethe von Winterfeld improvisierend herstellte, eine Volkslied-Improvisation als Wiegenlied für seine Tochter Constanze (1958?) und einige Proben, die ihn mit seinem zeitweiligen Begleiter Rolf Reinhardt bei der Arbeit an Liedern von Brahms und Strauss zeigen. Hörenswert.
Rüdiger Krohn