Wernli, Andreas

Frequenzen # 01

Dmitri Schostakowitsch: Symphonie Nr. 14 op. 135, mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Rüffer + Rub, Zürich 2004
erschienen in: das Orchester 06/2005 , Seite 72

An Werkmonografien besteht kein Mangel, an Büchern mit beigelieferter CD auch nicht, doch der vorliegende Band – Folge eins einer in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Kammerorchester erscheinenden Reihe „Frequenzen“ – betritt wahrlich Neuland. Thema des Buchs ist Dmitri Schostakowitschs Sinfonie Nr. 14, Autor der Musikwissenschaftler Andreas Wernli. Nicht an Experten richtet sich die Publikation, sondern an musikinteressierte Leser – auch solche ohne musikalische Vorkenntnisse. Und nach der Lektüre lässt sich nur feststellen: Bravo, so wird’s gemacht!
Zuallererst fällt die ebenso lebendige wie fassliche Sprache ins Auge, die eine unmittelbare Verständlichkeit garantiert, ohne sich in irgendeiner Form herabzulassen oder anzubiedern. Fachausdrücke sind, so sie denn vorkommen, in den Randspalten kurz und bündig erläutert. Es gelingt Wernli, jeden für das Werk wichtigen Aspekt abzubilden und gleichzeitig ein kompaktes Porträt des Komponisten und seiner Lebensumstände zu präsentieren. Bei der Wiedergabe biografischer Fakten orientiert er sich an Krzysztof Meyers Schostakowitsch-Buch sowie am Briefwechsel des Komponisten mit Isaak Glikman.
Der Leser erfährt etwas über die Entstehung des Werks und seine Stellung im Œuvre Schostakowitschs, die Auswahl und Bedeutung der vertonten Gedichte sowie Besonderheiten der Besetzung. Außerdem beleuchtet der Autor Schostakowitschs Beziehung zu Benjamin Britten, dem Widmungsträger der Sinfonie. Auch andere Personen kommen zu Wort: Rudolf Barschai, der Dirigent der Uraufführung, sowie Howard Griffiths, der auf der beigefügten CD das Zürcher Kammerorchester leitet, äußern sich in ausführlichen Interviews. Besonders wertvoll ist der Abdruck des Vortrags „Sympathie mit dem Leben“, den Wolfgang Rihm anlässlich des großen Schostakowitsch-Zyklus 1984 in Duisburg hielt, markiert er doch eine Wende innerhalb der Rezeption von Schostakowitschs Musik in Deutschland.
Ziel- und Höhepunkt des Buchs ist jedoch der „Hörgang“, anhand dessen Wernli den Leser beinahe Takt für Takt durch die Sinfonie leitet. Genaue Zeit- bzw. Taktangaben erläutern, wo innerhalb der CD bzw. der Partitur wir uns gerade befinden. Bei seiner „Nacherzählung“ spricht Wernli eine bildreiche Sprache, bestens dazu angetan, die – musikalische wie emotionale – Bedeutung der einzelnen Passagen konkret zu verdeutlichen. Am Ende ist man einem großen Werk der Musikgeschichte näher gekommen, ohne sich belehrt zu fühlen.
Howard Griffith und das Zürcher Kammerorchester liefern eine zumindest auf orchestraler Ebene durchweg gelungene Interpretation der Sinfonie; die beiden Sänger – Stephanie Friede (Sopran) und der ukrainische Bassist Pavel Daniluk – lassen hingegen gelegentlich Textverständlichkeit vermissen. Abschließend stellt sich die Frage, warum man, wenn man denn die von Schostakowitsch autorisierte mehrsprachige Version wählt, den neunten Satz „An Delwig“, deutsch und nicht im originalen Russisch singen lässt. Und da sich das Buch an deutschsprachige Leser wendet, hätte eine Wiedergabe der, ebenfalls vom Komponisten abgesegneten, rein deutschen Fassung, vielleicht mehr Sinn ergeben. Doch das sind nur kleine Kritikpunkte an einem insgesamt vorbildlichen Projekt.
Thomas Schulz

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