Gebhard, Volker

Frauen in der Oper

Große Stimmen - Große Rollen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Elisabeth Sandmann, München
erschienen in: das Orchester 09/2005 , Seite 79

Frauen in der Oper – wer hier einen feministisch-psychologisierenden Ansatz vermutet, wird enttäuscht werden. Vielmehr liegt ein ästhetisches, reich bebildertes „Coffeetable-book“ vor, erschienen im hoch ambitionierten Elisabeth Sandmann Verlag, der im kleinen feinen Angebot vor allem schön zu lesende und anzuschauende Bildbände herausgibt.
Beim Autor dieses Opernbuchs handelt es sich dann auch keineswegs um einen Musikwissenschaftler, der den Leser mit drögem Fachmaterial belehren will, sondern um einen Musikliebhaber, von Beruf Arzt und Kunsthistoriker. In neun Abschnitten stellt er Opern, Komponisten und Inszenierungen vor und versucht zu vermitteln, inwiefern sich vor der Folie der Oper im Laufe der Jahrhunderte das Frauenbild und das Rollenverständnis verändern konnte.
Ausgehend von den Frauen der Barockoper in Monteverdis späten Meisterwerken und der „Verwirrung der Geschlechter“ im Spannungsfeld einer von Kastratenverehrung und Primadonnenkult geprägten Kulturgesellschaft über „Mozarts Frauen“ (wobei der Autor die kühne These aufstellt: „…hätte Mozart 1779 aufgehört, für das Musiktheater zu schreiben, würden wir ihn auf diesem Gebiet zu Recht im Heer der übrigen Komponisten des Jahrhunderts vergessen haben“), über die großen Tragödinnen der Grand Opéra, den Entrückten und Verrückten der Belcanto-Zeit bis hin zu den „Weibsteufeln“ in der Oper der Moderne füllt er im leicht verständlichen Erzählduktus die Seiten. Hier und da verniedlicht er, vermeidet auch die Plattitüde nicht (zur Belcanto-Oper: „Orchester wie Text dienten dem Fest der Stimmen“). Isolde und Brünnhilde erlösen hier nicht nur die Männer, sondern die ganze Welt. Desdemona ist Opfer pur. Und die Frauen des Biedermeier strickten und beteten; Traviata ist „die erste moderne Frau“. Mit Lulu dann kommt der Männer mordende Vamp.
Leider berücksichtigt der Autor nicht die Oper des ausgehenden 20. Jahrhunderts in seinem Buch, das sich mit der Opernrezeption von 1600 bis 1930 befasst, denn: „Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor das Frauenthema an Bedeutung. Das Thema scheint erledigt.“ Wirklich?! Wenn Volker Gebhard schreibt: „Vielleicht wäre es die Aufgabe einer Komponistin gewesen, die Rolle der Frau in der Oper fortzuschreiben. Wie in den Jahrhunderten zuvor aber fehlt der Versuch“, ist das schlichtweg falsch. Was ist mit Erendira von Violeta Dinescu? Warum bleiben in diesem Opernbuch die Musiktheaterwerke Adriana Hölszkys unerwähnt?
Als über das normale Maß hinausgehender Opernführer ist dieses Buch eine Bereicherung. Der Autor will seinen Lesern Anregungen zum Neuerleben vermeintlich bekannter Opern geben, und dieses Anliegen ist ihm sicherlich gelungen. Nicht zuletzt durch perfekt zusammengestelltes Bildmaterial aus dem Archiv der Zeitschrift Opernwelt ist dieses Buch auch ein Kompendium von Regie- und Ausstattungsgeschichte. Eingebettet zwischen Netrebko als Traviata und Callas als Turandot: Gabriele Schnaut als Zigaretten rauchende Brünnhilde in einer Münchner Götterdämmerung, Callas als Ikone im Turandot-Outfit und Hollywood-Make-up und Diven in ihren „Paraderollen für Paradesänger“ (korrekt natürlich „Paradesängerinnen“).
Dagmar Zurek