Französische Komponistinnen
Musik für Violine und Klavier. Werke von Louise Farrenc, Lili Boulanger und Pauline Viardot-Garcia
Die drei Komponistinnen des 19. Jahrhunderts, die auf dieser CD vorgestellt werden, umspannen vom Geburtsdatum der ältesten bis zum Sterbedatum der jüngsten die gesamte französische Romantik. Während der industriellen Revolution dieser Zeit kämpften ihre Kolleginnen mit einer anderen Sprache als der musikalischen um uneingeschränktes Wahlrecht und das Recht auf Arbeit, Bildung und Gleichberechtigung im öffentlichen und privaten Raum.
Auf ihre Weise hatten die drei Komponistinnen ihren Anteil an dieser Entwicklung. Farrenc bekleidete als erste Frau eine Professur für Klavier am Pariser Konservatorium; trotzdem hatte sie ein Leben lang gegen heftige Vorurteile zu kämpfen. Pauline Viardot-Garcia war eine gefeierte Opernsängerin, ebenso berühmt wie ihre Schwester, die legendäre Maria Malibran, beide Töchter des renommierten spanischen Tenors Manuel Garcia. Sie sprach fünf Sprachen und war auf dem Klavier gleichermaßen begabt wie für den Gesang immerhin war sie Schülerin von Franz Liszt. Lili Boulanger stammte, wie die beiden anderen, ebenfalls aus einer renommierten Künstlerfamilie. Als erste Frau in der 110-jährigen Geschichte des Prix de Rome gewann sie diesen außerordentlichen Preis. Sie hatte nicht viel Zeit, um ihre Bedeutung in der Musikwelt zu etablieren; mit 25 Jahren starb sie 1918 an Tuberkulose umso erstaunlicher, dass sie in so kurzer Lebenszeit so bedeutenden Ruhm erlangte.
Wer die Kompositionen von Louise Farrenc nicht kennt, wundert sich zunächst über die klassisch anmutende Manier ihrer Kompositionsweise. Aber die Doppelgriffe, der Einsatz des Pedals und die Art des Konzertierens der beiden Instrumente weisen in die Romantik. Tatsächlich aber war Farrenc in ihrem Komponieren deutlich am Stil der Klassik orientiert. Auch die Form der Sonate übernahm sie, allerdings tauschte sie sozusagen den 2. gegen den 3. Satz, denn in der Klassik erwartete man als zweiten Satz einen ruhigen, als 3. Satz ein Menuett oder Scherzo. Farrenc komponierte als 2. Satz ein furioses Scherzo, dem als 3. Satz ein Adagio folgt.
Das wohl bekannteste Werk der mit 25 Jahren verstorbenen Lili Boulanger ist in Klang und Stil an Fauré orientiert und präsentiert Klänge, die wir als typische Dissonanzen im 20. Jahrhundert zuhauf finden.
Pauline Viardot-Garcia komponierte ihre Werke auf hohem Niveau, aber gleichzeitig in dem Bewusstsein, dass zu ihrer Zeit der erste Schritt zum Erfolg die Bühne der gesellschaftlichen Salons war. Anders allerdings als andere Künstlerinnen trug sie dort nicht bereits als Salonmusik komponierte Werke anderer Komponisten vor, sondern sie präsentierte ihre eigenen Werke und schuf sich so für ihre Karriere einen entsprechenden fördernden Umkreis. Sicherlich war dieser Hintergrund inspirierend für ihre Tänze.
Die Geigerin Annette-Barbara Vogel und die Pianistin Ayako Tsuruta treffen in jedem der eingespielten Werke den ihm zugrunde liegenden Ton. Sie musizieren mit Einfühlung und großer Virtuosität. Ein ungewöhnlicher französisch-romantischer Genuss.
Annette Brunsing