Flying in Circles

Christian Elsässer (Klavier), NDR Bigband feat. Adam Nussbaum

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Label 11
erschienen in: das Orchester 06/2015 , Seite 83

Wer sich Christian Elsässers Vita widmet, der wird mit Erstaunen feststellen, dass das einstige „Jazzwunderkind“ seinen Dreißigsten nun auch schon hinter sich hat. Auf der anderen Seite wären viele froh, zu Lebzeiten nur einige der Preise zu bekommen, die er schon in so jungen Jahren entgegennehmen durfte. Es stellt sich hier eher die Frage, welchen Jazzkompositionspreis Christian Elsässer noch nicht bekommen hat. So bleibt das Bild des jugendlichen Preisträgers eben haften.
Üblicherweise beinhalteten Kompositionspreise hierzulande eine vom Stifter bezahlte Produktion, in diesem Fall war dies der NDR. Zudem wurde dem Gewinner die Wahl eines Gastmusikers zugestanden, wodurch es zur Zusammenarbeit mit Adam Nussbaum kam. Wer Christian Elsässers Musik kennt, sei es von Live-Auftritten oder von Rise and Arrive, seiner jüngsten (Preisträger-)Produktion mit dem Hessischen Rundfunk, der weiß diese geniale Mischung aus komplexen Strukturen und melodischem Fluss zu schätzen.
Bei der vorliegenden CD fällt insbesondere die hervorragende Aufnahmequalität auf. Ein besonderer Aha-Effekt stellt sich gleich am Ende des ersten Tracks ein, wenn durch den aufbrandenden Applaus klar wird, dass es sich um eine Live-Aufnahme handelt. Allerdings hat eine Rundfunkanstalt mit voll ausgestatteten Aufnahmesälen natürlich andere Möglichkeiten. Trotzdem, die Live-Situation ist anders als das abgeschottete Studio, und das, was man hier zu hören bekommt, zaubert ein Lächeln auf die Lippen.
Bestand seine vorhergehende CD Rise and Arrive noch im Wesentlichen aus einem groß angelegten Werk, so serviert Christian Elsässer dieses Mal sieben Gänge durchaus unterschiedlicher Geschmacksrichtungen. Der Eingangstitel Adam’s Ale gibt sich mystisch und eher dunkel. Es folgt 7 in 7, ein Tenorsaxfeature im 7/4-Takt, welches in seiner Ausführung durch Lutz Büchner als Hommage an Dave Liebman und John Coltrane verstanden werden kann. Grandios! Das folgende eher ruhig angelegte Breeze lädt mit seinem ausgedehnten Basssolo zum Herunterkommen und Durchatmen ein, während man mit dem Titeltrack Flying in Circles gleich wieder abhebt und der Zuhörer in Klangsphären entführt wird, die vom Thema her durchaus an Kenny Wheeler erinnern, was auch an Veronika Zunhammers perfekt eingepasster Stimme liegt.
Wäre das darauf folgende Nocturne ein Wein, so stelle man sich ein Glas vor, dessen dunkelroter Inhalt die Augen feucht und das Herz dankbar werden lässt. Dankbar, eine derartige Köstlichkeit genießen zu dürfen. Was für eine Symbiose aus Komposition und Gabriel Coburgers solistischem Können! Man neige sein Haupt in Ehrfurcht. Dem Schwelgen in Klang wird dann allerdings mit dem energetischen Ivans Song ganz schnell furios ein Ende gesetzt. Zu guter Letzt führt Ingolf Burkhardt noch mit Woodzling die Kunst des Flügelhornspiels in höchst eindrucksvoller Weise vor. Mit dieser fröhlichen Komposition entlässt Elsässer den Zuhörer. Mit einem Lächeln auf den Lippen.
Mathias Engl