Haydn, Joseph

Flötenmusik

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Thorofon CTH 2557
erschienen in: das Orchester 03/2010 , Seite 68

Flötenmusik von Haydn ist meist durch Bearbeitung seiner Werke zustande gekommen, originale Flötenmusik ist selten. Etwas irreführend also der Titel der CD, denn sie enthält dementsprechend Echtes und Bearbeitetes etwa im Verhältnis eins zu zwei. Original sind hier nur die so genannten Londoner Trios für zwei Flöten und Violoncello, die um 1794/95 im Zusammenhang mit Haydns zweiter Reise nach London entstanden sind und die als meisterhaft gearbeitete Kammermusik dem Namen ihres Komponisten alle Ehre machen.
Von den Divertimenti für drei Flöten, die im Anschluss daran vorgestellt werden, sind die beiden ersten zeitgenössische Bearbeitungen der Baryton-Trios Nr. 82 und 116 (in der Besetzung Baryton, Viola, Violoncello). Bei dieser Verwandlung von Baryton-Trios in Flötentrios müssen drei gleich hohe Instrumente Streicherstimmen übernehmen, die sich in Tonhöhe und Klangfarbe unterscheiden. Das Ergebnis ist dementsprechend unbefriedigend. Das dritte Divertimento, das zusammen mit den beiden anderen überliefert ist, stammt nicht von Haydn, sondern sehr wahrscheinlich von Hoffmeister, vielleicht ist es sogar eine Originalkomposition für drei Flöten. Verglichen mit den Londoner Trios sind diese Divertimenti kein reines Vergnügen, weder für die Spieler noch für die Zuhörer.
Im dritten Abschnitt der CD schließlich werden Einrichtungen der beiden großen Oratorien Haydns für zwei Flöten vorgestellt. Derartiges war im 18. und 19. Jahrhundert sehr beliebt, es entsprach den Wünschen der Musikliebhaber, populäre Stücke auch zu Hause spielen zu können. Die Schöpfung erklingt in einer anonymen Bearbeitung von 1806, gespielt werden alle fünf Nummern, die das Heft enthält. Die Einrichtung der
Jahreszeiten, aus der drei Stücke ausgewählt wurden, ist unter dem Namen A. Dimler erschienen, vermutlich Franz Anton Dimler (1753-1827), ein Mitglied der Münchener Hofkapelle; die Qualität der Druckvorlage würde eine faksimilierte Neuausgabe erlauben.
Leider kann Haydns Musik in dieser ganz und gar nicht “historisch informiert” erscheinenden Einspielung ihre Wirkung nicht recht entfalten. Hätten sich die Ausführenden doch nur getraut, wenigstens ab und an den Flötenklang zu verschlanken und gelegentlich ein paar kurze Töne und Akzente zu riskieren. Sei es, um den Wechsel der Empfindungen deutlich zu machen oder um Individualität und Witz der Musik zur Geltung zu bringen. Die Londoner Trios sind übrigens von Weinzierl/Wächter schon einmal aufgenommen worden. Diese Einspielung – sie ist noch im Handel – erscheint mir frischer, gelungener als die neue Version, die sich insgesamt zu sehr auf voluminösen Klang und routiniertes Spiel verlässt. In Kombination mit der für CD-Aufnahmen offensichtlich beliebten Kirchenakustik ist das der Musik Haydns äußerst abträglich, denn ob original oder in bearbeiteter Form, immer verlangt sie von den Interpreten ein dynamisch differenziertes und sprechendes Spiel. Davon ist hier leider zu wenig zu hören.
Zeljko Pesek