Fledermaus trifft Unterwelt
Jacques Offenbach und Johann Strauß in Arrangements für Harmoniemusik von Andreas N. Tarkmann
Wenn heute Cover-Bands ebenso vergeblich wie bewusst in die viel zu großen Fußstapfen von Pink Floyd, Police oder den Stones treten, dann ist das dem sehr menschlichen Bedürfnis des Publikums geschuldet, große Musik zu erleben wenn schon nicht im Original, dann jedenfalls live. Im Musikbetrieb des 18. und frühen 19. Jahrhunderts übernahmen maßgeschneidert für den sparsamen Fürstenhof Harmoniemusiken diese Aufgabe: Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte und Hörner, verstärkt durch einen Kontrabass. Sie holten die Opernmelodien noch an den letzten Hof jedes verarmten Provinzadligen und verkündeten so, was in der Welt der Musik angesagt war.
Harmoniemusiken sind heute, da Oper kein rein elitäres Vergnügen mehr ist, ihrem ursprünglichen Zweck entfremdet. Und wenn Bearbeitungen für Bläserensemble noch im 21. Jahrhundert entstehen, dann ist das sogar ein gewaltiger Anachronismus. Dies ist den Mitgliedern des Antares-Ensembles sie stehen alle in Diensten des hr-Sinfonieorchesters Frankfurt natürlich bewusst. Ja, sie kokettieren sogar mit der altertümlichen Konzeption der vorliegenden CD, die Auszüge aus den zwei bekanntesten Produkten der zwei größten Operettenmeister enthält: Fledermaus trifft auf Orpheus in der Unterwelt, Strauß auf Offenbach.
Die Einstellung der hr-Bläser ist freilich kein Zeichen von Überheblichkeit, sondern einem gut begründbaren Selbstbewusstsein geschuldet: Das Antares-Ensemble spielt einfach hervorragend. Und es spielt gute Musik, für die der bekannte Arrangeur Andreas N. Tarkmann verantwortlich zeichnet. Der hält sich zunächst einmal an den unnachahmlichen orgelähnlichen Klang historischer Harmoniemusiken, verzichtet also auf Instrumentationseffekte, wie sie in den Partituren gerade Mahlers zu finden sind: den Einsatz von Musikinstrumenten in völlig ungewohnter Lage etwa.
Vorbild für Tarkmann sind die Funken sprühenden Originale, und für die gleiche Champagnerlaune sollen auch seine Bearbeitungen sorgen. Dies umzusetzen gelingt dem Ensemble mühelos, denn die Spieler haben für ihren Versuchsballon vorsorglich auf Ballast und Schwerfälligkeit verzichtet. Doch nicht nur das: Sie haben sich offenbar eingehend mit den Vorlagen befasst und spüren mit feinstem Sinn der dramaturgischen Spannung, dem Inhalt und Stimmcharakter der Arien, Ensembles und Tänze nach. Das Finale I aus Offenbachs Orpheus vermag wohl auch im Original nicht mehr mitzureißen.
Den besonderen Reiz von Tarkmanns Bearbeitung macht schließlich aus, dass er die zehn Instrumente über die Gattungskonventionen der Harmoniemusik hinaus fordert und mit neckischen, fantasievollen Randfiguren, mit Virtuosität fördert. Und: dass er dem Populismus absagt. Fast aberwitzig, dass diese CD statt des beinahe unvermeidlichen einen anderen Can-Can aus dem Orpheus bringt.
Johannes Killyen