Busoni, Ferruccio

Finnländische Volksweisen op. 27

für Orchester eingerichtet von Franzpeter Goebels

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2006
erschienen in: das Orchester 05/2007 , Seite 77

Busonis Finnländische Volksweisen entstanden offenbar 1888, als der erst 22-jährige überragende Pianist eine Anstellung als Klavierdozent am Musikinstitut in Helsinki antrat. Im kompositorischen Schaffen dieser Schlüsselfigur der musikalischen Zeitenwende um 1900 existieren zahlreiche Klavierwerke verschiedenster Couleur, die Volksweisen sind allerdings das einzige vierhändige Werk, das Busoni hinterließ.
Fast einhundert Jahre später unternahm Franzpeter Goebels, seinerzeit Instrumentalpädagoge in Detmold und ebenfalls bedeutender Pianist, den Versuch, Busonis Opus 27 in eine „neue Klanggestalt“, wie Goebels es bezeichnete, zu überführen. Nachdem also Busoni finnisches Volksliedgut für Klavier bearbeitete, adaptierte Goebels diese Bearbeitung in einer Fassung für Kammerorchester und Klavier (der Begriff „Orchester“ im Titel ist sicher korrekt, aber irreführend), woraus somit die Bearbeitung einer Bearbeitung hervorging. Der Kölner Verlag Dohr nahm im vergangenen Jahr Busonis 140. Geburtstag zum Anlass, Goebels Arrangement erstmals zu veröffentlichen.
Ohne aufwändige Ausstattung, dafür mit aller drucktechnischen Klarheit (und Größe!) kommt die Edition der Partitur daher. Ein Blickfang sind dabei Goebels eingehende und gut lesbare Erläuterungen über Wesen und Geschichte der Originalfassung sowie über seine Motivation zu ihrer Adaption. Ausgangspunkt für Goebels waren Busonis Spielanweisungen (quasi flauto oder timpani), die für ihn auf orchestrale Klangvorstellungen eindeutig hinzuweisen schienen. Da der Italiener zwar angeblich eine Umformung des Werkes gewollt hätte, aber nicht durchführen konnte, wirkt Goebels Tat quasi als „letzter Dienst“. Daher spricht er auch von einer „vermuteten Klanggestalt“, in die er das Werk „zurückversetzt“ habe. Ungeachtet solcher Überlegungen über Adäquatheit und Motivation einer künstlerischen Bearbeitung lenkt Goebels trotzdem zügig den Blick auf eben jenen künstlerischen Aspekt in seiner Auseinandersetzung mit den „zum Verlieben schönen“ Volksweisen, die in der Erstausgabe von 1889 noch als Hommage aux Finlandes betitelt wurden.
Das Werk verarbeitet in zwei Sätzen und einem Schlussabschnitt (Vivace) im Ganzen sechs volksliedartige Melodien von unterschiedlichem Charakter, wobei Goebels die originalen musikalischen Abläufe und den Notentext des Vorbilds selbstredend beibehält. Die Orchesterbesetzung besteht aus einer Flöte, einer Klarinette, Pauken, einem Klavier und Streichern, wobei das Klavier nurmehr als Klangfarbe fungiert. Die unbeschwerte und transparente Klanglichkeit, die dem Autor dieser Instrumentierung dabei vorschwebte, entnahm er den kammermusikalischen Werken u.a. von Sibelius und Wegelius. Dass man sich dem leichtfüßigen Charme von Busonis Volksweisen kaum entziehen kann, hat Goebels zweifellos richtig diagnostiziert. Dass dies nach der Bearbeitung aber auch so geblieben ist, ist nicht immer selbstverständlich und in diesem Fall eine kleine, mit viel Geschick durchgeführte Meisterleistung.
Tobias Gebauer