Filarmonica della Scala
hg. von Paolo Besana. Fotos von Lellie Masotti
Wenn es die Wiener geschafft haben, warum könnt ihr es dann nicht auch?, fragte Claudio Abbado, damals Musikdirektor an der Scala, sein Orchester während der ersten großen Japan-Tournee im Herbst 1981. Abbado schwebte ein Klangkörper vor, der nach dem Modell der Wiener Philharmoniker nicht nur Opernrepertoire aufführt, sondern auch eine eigene sinfonische Saison gestaltet. Und der Funke sprang sofort über. Bereits wenige Monate später, am 25. Januar 1982, präsentierte sich die frisch gegründete Filarmonica della Scala mit Mahlers dritter Sinfonie dem Mailänder Publikum. Auch ohne öffentliche Zuschüsse hat das autonom verwaltete Orchester, dessen Mitglieder Angestellte der Scala sind, seitdem mehr als 1200 Konzerte in aller Welt gespielt. Ein reich bebilderter Band, der das 30. Jubiläumsjahr noch mit einschließt, spannt den Bogen von den Anfängen mit Abbado bis zu seiner triumphalen Rückkehr im vergangenen Oktober, nach 26 Jahren Abwesenheit.
Dazwischen liegt eine ereignisreiche Zeitspanne, die mit Fotos und zweisprachigen Begleittexten auf Italienisch und Englisch anschaulich dokumentiert wird. Viele namhafte Dirigenten haben dazu beigetragen, am Pult des Mailänder Orchesters die sinfonische Tradition im Opernland Italien weiterzuentwickeln und über seine Grenzen hinaus bekannt zu
machen. Carlo Maria Giulini war dem Orchester auf besondere Weise verbunden, ebenso Riccardo Muti, der als Musikdirektor der Scala von 1987 bis 2005 besonders prägenden Einfluss hatte. Kollegen wie Mutis Nachfolger Daniel Barenboim, Zubin Mehta, Riccardo Chailly, Myung-whun Chung, Daniele Gatti, Gustavo Dudamel, Daniel Harding oder Valery Gergiev wechseln sich seither am Pult ab.
Wie der künstlerischer Leiter Ernesto Schiavi in seiner Einführung erklärt, steht von Anfang an nicht nur das große klassische Repertoire, sondern auch zeitgenössische Musik auf dem Programm. Die Filarmonica hat viele Auftragswerke von Komponisten aus aller Welt uraufgeführt. Möglich wurde dies durch den Ausbau eines privaten Sponsorennetzwerks, das auch Konzertübertragungen im Fernsehen und seit Kurzem in Kinos ermöglicht. Um die jüngeren Generationen an Musik heranzuführen, werden Proben für Schulen geöffnet und Education-Programme umgesetzt.
Das bekannte italienische Fotografen-Duo Silvia Lelli und Roberto Masotti hat über die Jahre das schier Unmögliche versucht, nämlich den Klang in seiner Flüchtigkeit für die Ewigkeit zu fixieren: ein in der Luft
vibrierender Taktstock, die absolute Hingabe des Dirigenten an die Musik, dann große Emotionen beim Schlussapplaus. Die Schwarzweiß- und Farbaufnahmen vermitteln auch optische Eindrücke von der Scala, ihren hoch aufsteigenden Rängen und der Begeisterung des Publikums. Musik zu fotografieren ist eine Kunst, zitieren die Fotografen den Musiker und Kritiker Lorenzo Arruga. Man muss ihr Geheimnis kennen, sich auf ihren Rhythmus einstimmen, auf den inneren Atem einer jeden Komposition [
] Man hat das Gefühl, etwas zu erfassen und spürt zugleich, dass es einem entwischt. Fotografieren heißt, das angeblich nicht Greifbare zu beschwören.
Corina Kolbe